London/Donezk. Die Kämpfe in der Ostukraine werden immer heftiger - und einem Bericht von Amnesty International zufolge begehen beide Seiten dabei Menschenrechtsverletzungen. Es gebe “immer mehr Beweise“ für Folter. Journalisten, Aktivisten und Demonstranten seien entführt und schwer verprügelt worden.
Amnesty International wirft den bewaffneten Separatisten und regierungstreuen Truppen in der Ostukraine gravierende Menschenrechtsverletzungen vor. Die Menschenrechtsorganisation sprach von "immer mehr Beweisen" für Folter und Menschenraub dort. In den vergangenen drei Monaten seien Journalisten, Aktivisten und Demonstranten schwer verprügelt und auf andere Weise gefoltert worden, teilte Amnesty am Freitag in London mit.
Der Bericht beruhe auf Informationen, die ein Amnesty-Team in den vergangenen Wochen in der Ostukraine recherchiert habe. "Die meisten Entführungen gehen auf das Konto von bewaffneten Separatisten", sagt Denis Krivosheew von Amnesty International, Vizedirektor für Europa und Zentralasien. "Die Opfer wurden oft brutal geschlagen und gefoltert. Aber auch seitens der regierungstreuen Kräfte haben wir Menschenrechtsverletzungen dokumentiert." Hunderte von Entführungen gebe es demnach in der ganzen Ostukraine, in den Regionen Donezk und Lugansk. Genaue Zahlen kenne niemand.
Schwere Gefechte zwischen Armee und prorussischen Aktivisten
Die Kämpfe in der Ostukraine werden unterdessen heftiger und verlustreicher. Bei neuen schweren Gefechten zwischen der Armee und prorussischen Separatisten sind am Donnerstag Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Die Aufständischen sprachen von etwa 50 toten Soldaten bei blutigen Kämpfen um den Flughafen der Großstadt Lugansk. Das Militär räumte Verluste ein. Allerdings seien bei einem Feuergefecht nahe der Millionenmetropole Donezk auch mindestens 25 "Terroristen vernichtet" worden, sagte Bataillonskommandeur Semjon Sementschenko am Donnerstag in dem Konfliktgebiet.
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Die Verwaltung von Donezk sprach von schweren Kämpfen rund um den stillgelegten internationalen Flughafen. Die Bewohner naher Siedlungen sollten keinesfalls die Häuser verlassen, sagte ein Sprecher. Der selbst ernannte Regierungschef der nicht anerkannten "Volksrepublik Donezk", Alexander Borodaj, bestätigte die Gefechte.
Militärkonvoi südlich von Donezk
Falls sich die Armee nicht zurückziehe, müssten etwa 100 000 Bürger aus Sicherheitsgründen die Stadt verlassen, behauptete er. Ein Militärkonvoi aus Panzern und Mannschaftswagen hatte bereits am Vortag rund 20 Kilometer südlich von Donezk Position bezogen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande setzten bei einem Telefonat mit Kremlchef Wladimir Putin ihre Bemühungen um eine Entschärfung des Konflikts fort. Merkel und Hollande hätten von Putin erneut Druck auf die Separatisten gefordert, teilte der Élysée-Palast in Paris mit. Putin zeigte sich dem Kreml zufolge bei dem Gespräch besorgt über die wachsende Zahl von Flüchtlingen aus der Ostukraine unter anderem nach Russland.
Putin will am Rande des WM-Finales mit Merkel sprechen
Nach Angaben von Putins Berater Juri Uschakow könnte der Kremlchef an diesem Sonntag in Rio de Janeiro am Rande des Finales der Fußball-WM kurz mit Merkel über die Ukraine sprechen.
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Die Europäische Union einigte sich auf Einreiseverbote und Kontensperrungen gegen elf weitere Beteiligte des Konflikts. Damit steige die Zahl auf 71, sagten Diplomaten. Es soll sich vor allem um Vertreter der Aufständischen handeln. Separatistenanführer Andrej Purgin sprach von "sinnlosen" Strafmaßnahmen. "Niemand plant Fahrten nach Europa, und ein Konto hat von uns dort auch niemand", sagte er.
Das Militär eroberte bei seiner "Anti-Terror-Operation" den strategisch wichtigen Ort Sewersk zurück. Die Aufständischen hätten die Stellungen nach kurzem Kampf geräumt, sagte ein Armeesprecher.
Hunderte Todesopfer durch Offensive
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sieht die Separatisten in der Defensive. Durch Luftangriffe und massives Artilleriefeuer sei es der Armee gelungen, die Kampfzone in den vergangenen Tagen um die Hälfte zu verringern, sagte der prowestliche Staatschef in Kiew. Eine Waffenruhe gebe es nur, wenn die Aufständischen zu Zugeständnissen bereit seien. Dazu gehöre die Abgabe von Waffen und die Freilassung von Gefangenen. Das Militär versucht, die militanten Gruppen mit der Belagerung von Donezk und Lugansk zum Aufgeben zu zwingen.
Insgesamt seien bei der Offensive in der Ostukraine seit Mitte April rund 200 Militärangehörige getötet und etwa 500 verwundet worden, sagte der renommierte Militärexperte Dmitri Tymtschuk in Kiew. Die Behörden bestätigten zudem fast 500 zivile Todesopfer. Zudem sollen nach Schätzungen Hunderte Aufständische ums Leben gekommen. (dpa)