Kiew/Brüssel. Berlin hat seine Hilfszahlungen an die Ukraine um 2,5 Millionen auf 3,5 Millionen Euro erhöht. Das Geld soll vor allem in die Krisengebiete im Osten des Landes fließen, wo es weiterhin heftige Kämpfe gibt. Die Europäische Union hat unterdessen ihre Sanktionen gegen Russland verschärft.

Die Bundesregierung stellt der krisengeschüttelten Ukraine 3,5 Millionen Euro Aufbauhilfe zur Verfügung. Ressortchef Frank-Walter Steinmeier (SPD) habe entschieden, die humanitäre Hilfe für die Ex-Sowjetrepublik um 2,5 Millionen Euro zu erhöhen, teilte das Außenministerium in Berlin am Mittwoch mit. Das Geld soll vor allem den Städten Slawjansk und Kramatorsk zugutekommen, die von der Armee im Kampf gegen Separatisten kürzlich zurückerobert wurden.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko dankte für die Hilfe. "Wir nehmen dies nicht nur als finanzielle Entscheidung wahr, sondern auch als sehr wichtige moralische Unterstützung vonseiten der Länder der Europäischen Union", betonte der prowestliche Staatschef in Kiew.

Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande haben erneut mit Poroschenko gesprochen. Thema des Telefonats am Mittwoch war nach Angaben des Élysée die aktuelle Situation in der Ostukraine nach dem teilweisen Rückzug der Separatisten.

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Merkel und Hollande hätten sich besorgt über die Lage der Zivilbevölkerung gezeigt und auf die Notwendigkeit militärischer Zurückhaltung verwiesen. Es müsse rasch eine politische Lösung für einen beiderseitigen Waffenstillstand geben, hieß es in Paris. Erneut appellierten Merkel und Hollande nach den Angaben an die russische Seite, Druck auf die Separatisten auszuüben für Verhandlungen und die wirksame Kontrolle der russisch-ukrainischen Grenze. Beide westlichen Politiker kündigten an, dazu in den kommenden Tagen erneut auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu kontaktieren.

Die Europäische Union hat in der Nacht zum Donnerstag ihre Sanktionen gegen Russland verschärft. Die Vertreter der EU-Regierungen einigten sich darauf, Einreiseverbote und Kontensperrungen gegen elf weitere Personen zu verhängen. Damit steige die Zahl der von solchen Maßnahmen Betroffenen auf insgesamt 71, sagten Diplomaten. Der förmliche Beschluss werde voraussichtlich im schriftlichen Verfahren zwischen den Hauptstädten der 28 EU-Staaten erfolgen, hieß es. Dies könne sehr rasch geschehen. Die Namen der Betroffenen sollen erst später veröffentlicht werden. Dem Vernehmen nach handelt es sich vor allem um Führer der prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine.

Verhandlungen wird es nur unter internationaler Vermittlung geben

In der Ostukraine kam es unterdessen zu neuen Gefechten. Rund um den Flughafen der Großstadt Lugansk seien heftige Kämpfe zwischen der Armee und prorussischen Separatisten entbrannt, sagte Andrej Lyssenko vom Sicherheitsrat. Mindestens zwei Soldaten seien getötet worden. Ein verwundeter ukrainischer Fernsehjournalist wurde im Rettungshubschrauber zu einem Krankenhaus in Charkow geflogen. Bei Donezk sprengten die Separatisten eine Eisenbahnbrücke, um dem Militär die geplante Blockade der Millionenmetropole zu erschweren.

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Der Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, sieht die prorussischen Separatisten in der Defensive. Durch Luftschläge und massives Artilleriefeuer sei es der Armee gelungen, die Kampfzone in den vergangenen Tagen um die Hälfte zu verringern, sagte der prowestliche Staatschef am Donnerstag in Kiew. Eine Waffenruhe gebe es nur, wenn die Aufständischen zu Zugeständnissen bereit seien.

Dazu gehöre die Abgabe von Waffen und die Freilassung von Gefangenen, sagte Poroschenko. In befreiten Orten werde derzeit die Versorgung wiederhergestellt. Das Militär versucht, die militanten Gruppen mit einer Belagerung von Donezk und Lugansk zum Aufgeben zu zwingen.

Mit der Ablehnung direkter Gespräche haben Separatisten und Regierung in der Ukraine-Krise die Angst vor neuer Gewalt geschürt. Verhandlungen werde es nur unter internationaler Vermittlung geben, betonte Valeri Tschaly von der Präsidialverwaltung in Kiew am Mittwoch. Die in den Großstädten Donezk und Lugansk verschanzten Aufständischen verlangten vor einem möglichen Treffen die Freilassung inhaftierter Gesinnungsgenossen.

Poroschenko sieht Separatisten in der Defensive

Medien in Kiew spekulierten, ob es an diesem Sonntag in Rio de Janeiro zu einer Unterredung zwischen Merkel und Kremlchef Wladimir Putin kommen könnte. Beide reisen zum Finale der Fußball-WM nach Brasilien. Russland soll die nächste WM 2018 ausrichten. Merkel und Putin hatten in den vergangenen Wochen mehrfach telefonisch über die Krise in der Ukraine gesprochen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow forderte mit Nachdruck eine bedingungslose beiderseitige Feuerpause. "Die ukrainische Regierung muss aufhören, die Gegenseite als Terroristen zu bezeichnen und immer neue Ultimaten an sie zu stellen", sagte Lawrow.

Der seit Monaten andauernde bewaffnete Konflikt stelle die Führung in Kiew auch finanziell vor enorme Probleme, räumte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk ein. Für erste Infrastrukturprojekte im Raum Donezk und Lugansk benötige die Regierung umgerechnet rund 500 Millionen Euro. "Es ist unklar, woher wir dieses Geld nehmen", sagte Jazenjuk. Die Ukraine erhält schon Milliarden von der EU und dem Internationalem Währungsfonds (IWF).

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Die prorussischen Aufständischen forderten von der Regierung unter anderem Fluchtkorridore für die Zivilbevölkerung in den Regionen Donezk und Lugansk. Zudem müsse die Führung in Kiew Aufklärung geben über das Schicksal von 400 "vermissten" Kämpfern. "Sie werden als Geiseln gehalten. (...) Präsident Petro Poroschenko sollte vor das Haager Kriegsverbrechertribunal", sagte Separatistenanführer Andrej Purgin der russischen Tageszeitung "Komsomolskaja Prawda" (Mittwoch).

Purgin sprach sich für mehr Teams der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ostukraine aus. "Wir brauchen etwa 400 Beobachter, davon sollten 150 aus Russland stammen." In der Vergangenheit hatten die Aufständischen etwa in Slawjansk immer wieder OSZE-Mitarbeiter entführt. Separatistenanführer Igor Girkin ("Strelkow") sagte, die militanten Gruppen wollten im Kampf gegen Regierungseinheiten nun eine "Berufsarmee" gründen. Angehörige der "Volkswehr" sollten bis zu umgerecht 500 Euro Monatssold erhalten. (dpa)