Berlin/Düsseldorf. . Die Opposition zerreißt die Pkw-Maut-Pläne von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Sie warnen, die Abgabe werde auch viele Bundesbürger mittelfristig teuer zu stehen kommen – weil jetzt auch Nachbarländer nachrüsten. Doch das ist offenbar nicht Dobrindts Sorge.
Eine gestaffelte Pkw-Maut auf allen deutschen Straßen: Für Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eine Frage der Gerechtigkeit. Jährlich unternähmen ausländische Pkw-Halter 170 Millionen Fahrten durch Deutschland, ohne dass sie an der Finanzierung der Straßen beteiligt würden, klagte Dobrindt am Montag. Mit der Maut, die offiziell „Infrastrukturabgabe“ heißen soll, werde diese „Gerechtigkeitslücke“ ab 2016 geschlossen.
Ausländer würden dann angemessen an den Investitionen beteiligt – während die Bundesbürger zwar offiziell auch die Maut für alle Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen bezahlen sollen, in Wirklichkeit aber über neue Freigrenzen bei der Kfz-Steuer unterm Strich mit keinen Cent mehr belastet werden.
Ob die Sache lohnt?
88 Euro soll eine Jahresvignette im Schnitt kosten, abhängig von Ökoklasse und Hubraum. Jährlich 625 Millionen Euro Netto-Mehreinnahmen (von den ausländischen Fahrern) erwartet Dobrindt unterm Strich – die Summe ist nicht gerade hoch, weil auf deutschen Autobahnen tatsächlich nur jeder 20. Pkw ein ausländisches Kennzeichen hat. Ob sich die Sache angesichts des hohen bürokratischen Aufwands mit einem halben Dutzend unterschiedlicher Vignetten wirklich lohnt, blieb auch gestern offen.
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Dobrindts Coup, die Maut nicht nur auf Autobahnen zu erheben, sondern für das gesamte Straßennetz mit Bundes-, Landes- und Kommunalstraßen, hat ihren Preis: Zwar verhindert er so Ausweichverkehre aber die Einnahmen muss der Bund dann mit den Ländern teilen. Nachdem erste Landesverkehrsminister gestern entsprechende Forderungen erhoben, signalisierte Dobrindt Gesprächsbereitschaft und versprach „eine einvernehmliche Lösung“.
Kritiker auch beim Koalitionspartner SPD sind allerdings skeptisch: Wenn Deutschland nun eine Maut für alle Straßen einführe, würden Nachbarländer bald nachziehen, dann werde es auch für die Bundesbürger teurer. Auch Armin Laschet, CDU-Chef in NRW sieht das kritisch. Er fürchtet, dass NRW als Land mit vielen Grenzen besonders negativ betroffen sei, weil Reisende und Kaufwillige durch eine Vignette abgeschreckt würden. „Ein Rückfall in die Kleinstaaterei ist das Gegenteil von offenen Grenzen, die Helmut Kohl in Europa durchgesetzt hat“, sagte Laschet dieser Zeitung.
Entlastung für deutsche Autofahrer
Aber das ist offenbar nicht Dobrindts größte Sorge. Im Grunde setzt Dobrindt auf schlichte Trickserei: Er spaltet sein Vorhaben in zwei Gesetze. Einerseits die Infrastrukturabgabe: Für Pkw-Fahrer aus dem Ausland als 10-Tages-Vignette für 10 Euro, 2-Monats-Vignette für 20 Euro und als Jahresvignette. Die Jahresvignette hat aber keinen Einheitspreis, sondern ist nach Umweltfreundlichkeit der Fahrzeuge, Hubraum und Zulassungsjahr gestaffelt – der Preis liegt zwischen 20 und 112 Euro. Diese Staffelung ist notwendig, weil auch die deutsche Kfz-Steuer eine ähnliche Differenzierung kennt. Und über die will Dobrindt die deutschen Autofahrer automatisch entlasten.
Sein Trick: Die genau angepasste Absenkung der Kfz-Steuer wird über ein getrenntes Reformgesetz abgewickelt. Damit will Dobrindt die Bedenken der EU-Kommission, die eine EU-rechtswidrige Benachteiligung ausländischer Pkw-Fahrer fürchtet, zerstreuen.
„Wir führen eine Abgabe für alle ein, das ist europarechtlich zulässig“, erklärt Dobrindt. Und die Reform der Kfz-Steuer sei, nun ja, eben allein Sache der Nationalstaaten. Ob die EU-Kommission da mitspielt? Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von Uni Duisburg-Essen warnt: „Der Trick mit den zwei Gesetzen ist durchsichtig und hat ein erhebliches europäisches Risiko.“