Berlin. . Bevor er endgültig im Bundestag verabschiedet wird, feilen die Koalitionspartner an letzten Details zum Mindestlohn. Die gesetzliche Lohnuntergrenze von 8,50 Euro kommt ab 2015. Bereits 2017 wird dieser Tarif angehoben. Einige Branchen verhandeln derzeit über einen Aufschub.

Hektische Änderungen am Mindestlohngesetz in letzter Minute: Vor dem Bundestagsbeschluss am Donnerstag zur gesetzlichen Lohnuntergrenze von 8,50 Euro ab 2015 feilte die Koalition nicht nur an zusätzlichen Übergangsregelungen und großzügigeren Ausnahmen für Praktikanten. Nach den Plänen von Union und SPD dürfte der Mindestlohn jetzt schon 2017 erstmals angehoben werden – ein Jahr früher als bisher vorgesehen, danach aber nur im Zwei-Jahres-Rhythmus.

Mit dieser absehbaren Korrektur wird ein Vorschlag der Sozialpartner aufgegriffen, die die Mindestlohn-Erhöhungen von den regulären Tarifrunden abkoppeln wollen. Die Kommission aus Arbeitgebern und Gewerkschaftern soll dazu erstmals 2016, nicht erst ein Jahr später, eine Empfehlung abgeben, die die Regierung umsetzt. Willkommener Nebeneffekt: Die Mindestlohn-Erhöhung wäre damit schon im Wahljahr 2017 wirksam.

Alle sind ein bisschen nervös

Andere der letzten Nachbesserungen sind umstritten, es hagelt Kritik von allen Seiten, die Gewerkschaften protestierten am Montag im Regierungsviertel gegen Ausnahmen vom Mindestlohn. „Alle sind ein bisschen nervös“, stöhnte ein Regierungsmitglied vor abschließenden Beratungen am Abend.

Doch die Änderungen sind auf Druck der Union im Kern beschlossene Sache, auch wenn noch an Details gefeilt wird: Vorgesehen ist zum einen eine Erleichterung für Landwirte als Kompensation für den Mindestlohn. Sie können die jährlich rund 300 000 Saisonarbeiter aus dem Ausland künftig 70 Tage lang beschäftigen, ohne das Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen; bislang lag diese Grenze bei 50 Tagen.

Streitpunkt Praktikanten

Die zweite Änderung betrifft freiwillige Praktikanten in Aus- und Weiterbildung: Sie sind für drei Monate vom Mindestlohn ausgenommen, ursprünglich war eine Frist von sechs Wochen vorgesehen.

Schließlich sollen Presseverlage bis Ende 2016 ihren Zeitungszustellern weniger als den Mindestlohn zahlen dürfen – die Rede ist von bis zu 25 Prozent im nächsten Jahr und einer Abweichung um 15 Prozent im übernächsten Jahr.

Ausnahmen waren von Anfang an geplant

Schon im ursprünglichen Gesetzentwurf waren Ausnahmen vorgesehen: Der Mindestlohn gilt nicht für Jugendliche unter 18 Jahren, für bisher Langzeitarbeitslose im ersten halben Jahr der Beschäftigung – und bis Ende 2017 auch nicht für alle Branchen, die einen abweichenden Tarifvertrag vereinbaren.

Gewerkschaften laufen Sturm gegen diese Lücken. Verdi-Chef Frank Bsirske hatte der SPD sogar Wählertäuschung vorgeworfen. Widerstand gibt es auch von der SPD-Linken. Deren Sprecherin Hilde Mattheis sagt: „Die Ausnahmen vom Mindestlohn sind unsozial.“ Missbrauch werde „Tür und Tor geöffnet“. Umgekehrt gehen Kritikern in der Union die Ausnahmen nicht weit genug. Bei der Abstimmung im Bundestag wird mit mindestens ein Dutzend Gegenstimmen aus der Union gerechnet.

3,7 Millionen Betroffene

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) weist aber Warnungen vor negativen Folgen für den Arbeitsmarkt zurück: Die absehbare Lohnerhöhung von rund zehn Milliarden Euro sei verkraftbar. Sie rechnet dabei mit 3,7 Millionen Beschäftigten, die vom Mindestlohn profitieren. Zwischenzeitlich hatte die Ministerin höhere Zahlen genannt: Noch Anfang Juni erklärte sie im Bundestag, der Mindestlohn helfe fünf Millionen Beschäftigten, die derzeit zu Dumpinglöhnen arbeiteten.

Doch die Zahl sei veraltet, heißt es nun im Arbeitsministerium, in einigen Problembranchen hätten die Tarifpartner bereits vorauseilend Lohnerhöhungen vereinbart.