Washington. . Der Hilferuf des irakischen Regierungschefs in Richtung USA verhallt. Für Obama ist der Krieg seines Vorgängers beendet. Obendrein fürchtet er eine neue Debatte um das Engagement in Syrien und Afghanistan.
Dem gewaltsamen Vormarsch der islamistischen Terrorgruppe Isis im Irak steht das Weiße Haus bislang abwartend bis ratlos gegenüber. Mehrfache Bitten der Regierung in Bagdad, den Feldzug der Milizen mit Hilfe von Luftangriffen niederzuschlagen, wurden nach bestätigten Medienberichten von der Obama-Regierung zunächst abgelehnt. „Das ist Sache der irakischen Armee und der Regierung“, beschied Pentagon-Sprecher John Kirby Journalisten, die nach einer stärkeren militärischen Komponente Amerikas im Irak gefragt hatten. Gestern Abend dann ein halber Rückzieher. "Ich schließe nichts aus", sagte Präsident Obama auf die Frage, ob er sich den Einsatz bewaffneter Drohnen vorstellen könne. Amerika habe ein starkes Interesse daran, dass die Dschihadisten sich nicht im Irak festsetzen.
Demonstrativ wurde im Verteidigungsministerium zuvor darauf verwiesen, dass die USA bereits ein 14 Milliarden Dollar schweres Militär-Paket geschnürt haben, um die irakische Armee zu unterstützen - inklusive F-16-Jagdflugzeugen, Hellfire-Lenkraketen, Apache-Kampfhubschraubern und Aufklärungsdrohnen. Weitere Hilfe könnte von der Regierung in Bagdad, der Obama nennenswert Mitverantwortung für die Krise zuweist, als "Blankoscheck" missbraucht werden, sagten Pentagon-Mitarbeiter.
Die Zurückhaltung Washingtons erklärt sich nach Einschätzung demokratischer Kongress-Abgeordneter mit einem „außenpolitischen Dilemma“. Obama hat sein Wahlversprechen aus dem Jahr 2008 erfüllt und den „dummen Krieg“ (Obama) seines Vorgängers George W. Bush beendet. Ende 2011 zogen die letzten US-Kampftruppen aus Bagdad ab. Nachdem Verhandlungen über eine US-Truppenstationierung zur Absicherung des fragilen Friedens in dem von religiösen Extremisten dominierten Land am Widerstand des Parlaments in Bagdad und an Regierungschef Nuri-al-Maliki gescheitert waren. Auf den seit rund einem Jahr schleichend eskalierenden Bürgerkrieg, der zuletzt über 7000 Zivilisten das Leben kostete, findet Amerika keine Antwort.
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Intern gilt Maliki in Washington als gescheitert und als Hauptgrund für die Verschlechterung der Lage. Trotz vieler Appelle der USA, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden und alle Religionsgruppen zu berücksichtigen, setze der „autoritär und diktatorisch“ vorgehende Schiit Maliki seine Politik der Ausgrenzung gegen Sunniten und Kurden fort. „Wenn das Versagen bei der Stabilisierung des Irak und der nationalen Sicherheit bei jemandem zu suchen ist, dann bei ihm“, sagen Sicherheitsberater von Präsident Obama hinter vorgehaltener Hand.
In dessen Umfeld gilt als ausgeschlossen, dass die USA elf Jahre nach der Invasion erneut Soldaten in den Irak schicken werden. Eine Verwicklung in das irakische Chaos würde nach Ansicht des Weißen Hauses dazu führen, dass die Debatte um eine größere militärische Handschrift der USA im syrischen Bürgerkrieg von neuem beginnt. Die sunnitischen Extremisten agieren in der Wüste zwischen Syrien und Irak grenzübergreifend. Auch würde möglicherweise der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan in Mitleidenschaft gezogen. Dort will Obama Ende 2014 den Kampfeinsatz seiner Soldaten offiziell beenden.
Mangelnder Widerstand der irakischen Armee
Der unerwartet schnelle Vormarsch der Isis-Kämpfer Richtung Bagdad und der mangelnde Widerstand der von Amerika mit Milliarden-Hilfe ausgebildeten irakischen Armee hat in Washington allerdings die Angst vor einer islamistisch kontrollierten Unruhe-Zone erheblich verstärkt, die sich vom Libanon über Syrien bis in den Irak zieht und als Rückzugsraum für terroristische Netzwerke dienen könnte. „Die Gefahr von Anschlägen auf Verbündete in der Region und Attacken gegen Amerika ist enorm gestiegen“, sagen republikanische Verteidigungspolitiker und fordern, wie etwa der einflussreiche Senator John McCain, eine Abkehr von einer "Politik der Nichteinmischung". McCain bezeichnet den Abzug der US-Truppen 2011 gestern erneut als "gewaltigen Fehler", der die Sicherheit Amerika beeinträchtige.
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Die „Washington Post“ hat bereits angedeutet, was Obama demnächst innenpolitisch an Kritik erwartet, falls die Lage im Irak weiter eskaliert und auf Nachbarstatten übergreift. Vermisst wurde dort gestern eine klare Strategie, die „Realitäten anerkennt“ und über das Mantra hinausgeht, dass Amerika seine Kriege „verantwortungsvoll“ beendet. Washington stehe im Irak in besonderer Verantwortung.
Hintergrund: Nach dem Sieg der US-Truppen über Saddam Hussein im Mai 2003 ließ der damalige amerikanische Statthalter Paul Bremer zwei Eckpfeiler abreißen, auf denen der irakische Staat bis dahin ruhte: die Armee und die regierende Baath-Partei. Zivile Ersatzstrukturen, die auf die traditionellen religiösen Spannungen Rücksicht nehmen und mit langem Atem militärisch geschützt werden, wurden nie aufgebaut. „Von diesem schweren Eingriff hat sich der Irak bis heute nicht erholt“, sagt ein Experte des Denkfabrik Brookings.