Bagdad. . Kriegsbereite Islamisten kontrollieren die irakische Metropole Mossul. Auch die Nachbarprovinzen werden angegriffen. Die Armee ist machtlos. Viele Soldaten sind demoralisiert oder bereits desertiert. Nun droht abermals ein Bürgerkrieg.
In der Regierung von Bagdad herrscht Panik, unter den Bewohnern von Mossul Verzweiflung. Videos zeigen Jugendliche, die Armeefahrzeuge mit Steinen attackierten. Mit Schüssen in die Luft mussten sich die Soldaten ihren Fluchtweg durch die Menge bahnen. Gleichzeitig stauten sich zivile Autos zu tausenden in breiten Kolonnen an den Ausfallstraßen. Wer konnte, packte seine Sachen und verließ Mossul, das seit Dienstag früh unter der Kontrolle von Al Kaida-Brigaden steht. „Es ist die Hölle“, berichteten die Menschen, die sich im kurdischen Nordirak in Sicherheit bringen wollten.Nach Augenzeugenberichten haben die Gotteskrieger die Zwei-Millionen-Metropole komplett unter ihrer Kontrolle.
Auf Fotos sind Kolonnen von Geländewagen mit schwarzen Flaggen und maskierten Dschihadisten (Gotteskriegern) zu sehen, die in den Wohnvierteln patrouillieren. Zahllose Fahrzeuge von Polizei und Armee standen in Flammen, schwarze Rauchwolken stiegen zum Himmel. Leichen von Erschossenen lagen auf den Gehwegen. Etwa 200 gepanzerte Geländewagen und mehrere Kampfhubschrauber fielen den Extremisten offenbar in die Hände. Sie erbeuteten Raketen sowie jede Menge Schusswaffen. Alle Gefängnisse wurden gestürmt, nach Angaben aus Bagdad befreiten die Angreifer mindestens 2500 hochgefährliche Gesinnungsgenossen. Zudem erbeuteten sie in den Banken große Mengen an Bargeld.
USA kündigt Rückschlag an
Bereits in der Nacht zu Mittwoch marschierten die Kommandos des „Islamischen Staates von Irak und Syrien (ISIS)“ weiter in Richtung Süden und griffen die Nachbarprovinzen Kirkuk und Salahaadin sowie die Stadt Tikrit an. Zusammen mit den im Januar eroberten Städten Fallujah und Ramadi in der westlichen Provinz Anbar kontrollieren die Gotteskrieger damit mindestens ein Viertel des Irak.
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Die amerikanische Regierung zeigte sich „tief besorgt“ und kündigte an, man unterstütze „eine harte und koordinierte Antwort, um die Aggressoren zurückzuschlagen“. Die Regierung in Bagdad werde alle benötigten Hilfen bekommen, denn die ISIS-Kämpfer seien nicht nur ein Bedrohung für die Stabilität des Irak, sondern auch für die Stabilität der gesamten Region. Die irakische Armee jedoch scheint zu einer Gegenoffensive nicht mehr fähig, obwohl sie formal eine Mannschaftsstärke von 800 000 Mann besitzt. Viele Soldaten sind demoralisiert, Abertausende desertiert.
Die Al-Qaida-Gotteskrieger wollen offenbar die weit verbreitete Frustration unter den irakischen Sunniten sowie die Auflösungserscheinungen in der Armee nutzen, um den Irak wie 2006 und 2007 in einen Bürgerkrieg zu stürzen. Indiz dafür ist auch ein Angriff mehrerer hundert sunnitischer Extremisten vor einer Woche auf die Goldene Moschee in der Stadt Samarra, die jedoch von Armee und Polizei abgewehrt werden konnte.
Angriff auf die Goldene Moschee
Das Al-Askari-Mausoleum gilt als eines der wichtigsten Heiligtümer der Schiiten. Seine goldene Kuppel wurde Anfang 2006 durch ein Bombenattentat schwer beschädigt, eine Untat, die den zweijährigen Bürgerkrieg entfachte. Der populäre schiitische Geistliche Moqtada al-Sadr rief daher am Mittwoch seine Anhänger auf, bewaffnete Milizen zu bilden, um die schiitischen und christlichen Gotteshäuser vor Angriffen der Fanatiker zu schützen.
Die Al-Qaida-Krieger dagegen appellierten per Twitter an die Sunniten, mit ihnen gegen die irakische Armee zu kämpfen, die überwiegend aus Schiiten besteht. „Tretet den Reihen der Brüder bei“, hieß es in dem Text. „Malikis tyrannische Macht ist für uns fromme Gläubige kein ernstzunehmender Gegner.“