Moskau. . Russlands Propagandamaschinerie lässt eine Armee von sogenannten Trollen auf die Online-Auftritte westlicher Medien los. Sie sollen im Auftrag der Regierung die öffentliche Meinung im Westen beeinflussen. Im Ziel der prorussischen Propaganda-Poster: Große Zeitungen und Webmedien.

Sie klingen zornig, ihr Deutsch ist oft bis zur Unverständlichkeit schlecht. „Niemand, den es war politisch nicht Korrekt…“, räsoniert da ein Spiegel Online-Leser, der sich smolny39 nennt. Er erbost sich, weil niemand der westlichen Spitzenpolitiker an der Feier zum 68. Jahrestag des Sieges über Hitlerdeutschland in Moskau teilgenommen hat. „… die 300 000 US Opfer sind schliesslich mehr Wert als 30 Mio von UdSSR Seite. Aufjedenfall denkt so die EU und USA.“

„Diese Trolle sind Legion“

Solche Kommentare häufen sich seit Monaten nicht nur auf Spiegel Online sondern auch auf Internetseiten hunderter anderer westlicher Medien. „Diese Trolle sind Legion“, schreibt die Washington Post. „Sie fluchen und verbreiten schlechte Laune. Sie werden von Firmen mit verschlungenen Verbindungen zum Kreml finanziert.“ Ihr Englisch neige dazu, schlecht zu sein, und sie äußerten sich immer wieder zu denselben Themen: Ukraine, Obama, Schwule. Und natürlich Putin. „Du bist gegen Putin!“, wettert „Katarina“ unter einem Artikel der WorldNetDaily. „Weißt du wirklich, was er für sein Land tut?“

Laut Washington Post und dem Nachrichtenportal Buzzfeed haben es die russischen Trolle in den USA vor allem auf Fox News, CNN, die großen Zeitungen und Webmedien wie Huffington Post, The Plaze oder Politico abgesehen. Auch die Moderatoren des britischen Guardians warnten ihre Leser schon vor Kommentaren, die eine „organisierte Kampagne zur Unterstützung des Kremls“ darstellten.

Auch beim Guardian bemerkt man die Attacke

Wolfgang Blau, Chefmanager für strategische Entwicklungen beim Guardian, sagte der russischen Zeitung Wedomosti, im deutschen Internet sei zur Zeit ebenfalls ein explosionsartiger Anstieg prorussischer Äußerungen zu bemerken.

Die Hackergruppe „Anonymni Internazional“ veröffentlichte zahlreiche Dokumente über das Innenleben des neuen Propagandaapparats. Deren US-Abteilung plane, allein die Internetzeitung Huffington Post aus insgesamt 100 Webadressen unter Feuer zu nehmen. Und im Petersburger Vorort Olgino sei eine „Agentur für Internetstudien“ aufgemacht worden, mit 76 Mitarbeitern und einem Monatsetat von umgerechnet knapp 1 Million US-Dollar. Sie soll auf einen Kader von 600 Personen ausgebaut werden, Blogger, Kommentatoren, Übersetzer... Der Instruktion gemäß hat jeder Troll zehn Facebook- und zehn Twitter-Adressen zu besitzen – und 50 Posts am Tag zu produzieren. Laut Wedomosti soll Wjatscheslaw Wolodin, Chef der Kremlverwaltung, die neue Infrastruktur koordinieren. Wobei sich Petersburger Manager in ihren Mails schon gegenseitig vorwerfen, über 300 000 Dollar „geklaut“ zu haben.

Die Propaganda könnte funktionieren

Aber obwohl die Trolle zum Teil korrupt sind, können sie nach Ansicht russischer Beobachter durchaus massiv die öffentliche Meinung im Westen beeinflussen.

„Auch der Propagandasender Russia Today ist im Westen erfolgreich“, sagte der Moskauer Blogger Aider Muschdabajew unserer Zeitung. „Wenn täglich hunderte Trolle in die gleiche Kerbe hauen, glauben die wirklichen Leser irgendwann, hinter Putin stehe tatsächlich eine Masse Leute.“

Außerdem sei zu erwarten, dass Russland künftig massiv versuche, westliche Politiker und Journalisten zu kaufen. „Moskau wird vor allem rechtsradikale Parteien finanzieren“, sagt Muschdabajew. „So wie einst die europäischen Kommunisten.“