Berlin. . Machtpoker um den politischen Spitzenposten in der EU: Nach ihrem Sieg bei der Europawahl ringen die Konservativen um Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker mit den unterlegenen, aber gestärkten Sozialisten um den Deutschen Martin Schulz um das Amt des EU-Kommissionspräsidenten. In Berlin laufen dabei viele Fäden zusammen. Merkel spielt auf Zeit.

Im deutschen Machtpoker um den neuen EU-Kommissionspräsidenten wollen Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel einen drohenden Koalitionskonflikt abwenden: Schon vor einem Treffen der Koalitionsspitzen am Montagabend signalisierte SPD-Chef Gabriel Bereitschaft der europäischen Sozialdemokraten, über die Zustimmung für den konservativen Kandidaten Jean-Claude Juncker zu verhandeln. Juncker müsse aber ein inhaltliches und personelles Angebot machen, sagte Gabriel nach Beratungen der SPD-Spitze.

In Koalitionskreisen hieß es dazu, sollte sich Juncker als Kommissionschef durchsetzen, könnte SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz deutscher EU-Kommissar werden oder etwa das Amt des EU-Außenbeauftragten übernehmen. Eine Art Großer Koalition auf EU-Ebene gilt demnach in Berlin als denkbar.

Konservative sind sich nicht einig

In den CDU-Führungsgremien machte Kanzlerin Angela Merkel deutlich, dass sie bei dem am Dienstag in Brüssel beginnenden Postenpoker auf Juncker als EU-Kommissionschef setzt. Der Kandidat muss von den Regierungschefs vorgeschlagen, aber danach vom EU-Parlament gewählt werden – Deutschland spielt als größtes EU-Land eine wichtige Rolle.

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Die Lage ist unübersichtlich: Zwar ist die konservative EVP, zu der auch CDU und CSU gehören, mit 28,5 Prozent wieder stärkste Fraktion im EU-Parlament; die Sozialdemokraten kommen mit 25,17 Prozent auf den zweiten Platz. Auf links- und rechtsextreme Parteien wollen sich beide Lager nicht stützen. Juncker hat ein zusätzliches Problem: Der konservative ungarische Premier Viktor Orban hat schon angekündigt, er werde Juncker nicht unterstützen. Auch der britische Premier David Cameron ist ein Gegner Junckers.

Auch deshalb spielen in Berlin sowohl Merkel als auch Gabriel auf Zeit. Offiziell wollten sie gemeinsam mit CSU-Chef Horst Seehofer am Montagabend nur das Verfahren absegnen, das Merkel am Dienstag beim Abendessen der Regierungschefs befürworten will: Ratspräsident Herman Van Rompuy soll erst Gespräche mit den Fraktionschefs führen, Personalvorschläge soll es noch nicht geben.

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Union: „Juncker ist unser Kandidat“

In der Union ist aber klar: „Wir haben die Wahl gewonnen, Juncker ist unser Kandidat“. Auch in der SPD-Spitze heißt es: „Juncker hat den ersten Schuss frei.“ Aus dem Rennen sieht die SPD Schulz aber noch nicht. Gabriel will von Merkel eine klare Zusage, dass nur einer der beiden Spitzenkandidaten Kommissionschef wird – fiele Juncker durch, liefe alles auf Schulz zu.

Merkel lehnt den Automatismus ab, hält sich eine Tür offen. Wegen der Mehrheitsverhältnisse sei ein Kompromiss nötig, sagt die Kanzlerin. Denkbar, dass am Ende doch ein dritter, neutraler Kandidat benannt wird. IWF-Chefin Christine Lagarde ist im Gespräch oder der frühere irische Premier Enda Kenny. Eilig hat es Merkel nicht. Die EU-Regierungschefs wollten den Kandidaten erst am 26. Juni benennen. Der Personalpoker hat erst begonnen.