Berlin. . Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geht eines der ganz großen Projekte seines Ressorts an: die Pflegereform. Im Interview erläutert er, was sich mit der Reform der Pflegestufen ändern soll. Zudem verspricht er: Niemand, der schon Leistungen erhält, steht ab 2017 schlechter da als heute.
Seit Jahren wartet das Land auf die Reform der Pflege – nächste Woche will die Regierung endlich die erste Stufe auf den Weg bringen. Im Interview mit dieser Zeitung gibt Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) den Pflegebedürftigen sein Wort: Niemand wird durch die Reform schlechter gestellt. Julia Emmrich sprach mit dem 53-Jährigen auch über seine private Sicht auf das Älterwerden.
Herr Gröhe, ab 2030 kommen die geburtenstarken Jahrgänge allmählich ins Pflegealter. Die Kinder der 50er- und 60er-Jahre: das ist Ihre Generation. Haben Sie Angst davor?
Hermann Gröhe: Nein, Angst nicht. Sicher, niemand denkt gerne an Gebrechlichkeit und die Endlichkeit des eigenen Lebens. Es ist aber wichtig, in der Familie oder im Freundeskreis rechtzeitig darüber zu sprechen, was passiert, wenn man selbst oder ein Familienmitglied pflegebedürftig wird. Umgekehrt halte ich nichts davon, Älterwerden vor allem angstbesetzt zu sehen. Schließlich bekommen wir durch die steigende Lebenserwartung viele gute Jahre geschenkt.
Wer wird Sie pflegen?
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Gröhe: Mir geht es da wie vielen – ich möchte möglichst lange in der vertrauten Umgebung und mit vertrauten Menschen leben. Es kann aber auch Situationen geben, in denen die eigene Familie mit dem Grad an Hilfsbedürftigkeit überfordert ist. Dann muss es auch ohne schlechtes Gewissen möglich sein, gemeinsam zu entscheiden, dass ein Pflegeheim für alle Beteiligten die bessere Lösung ist. Das darf kein Tabu sein.
Pflegekräfte machen ein echten Knochenjob: Würden Sie Ihren Kindern raten, in die Altenpflege zu gehen?
Gröhe: Pflege ist ein Zukunftsberuf. Man muss dafür aber ein Händchen haben, denn man kommt Menschen sehr nahe. Das kann nicht jeder. Gleichzeitig sagen mir Pflegekräfte, dass sie bei aller Belastung durch ihre Arbeit auch viel zurück bekommen Kurzum: Wenn meine Kinder selbst das Gefühl haben, sie können es, dann würde ich ihnen dazu raten.
Auf 100 offene Stellen für Altenpflegefachkräfte kommen nur 42 Bewerber. Müssen Pflegefachkräfte mehr verdienen?
Gröhe: Zwischen den Bundesländern gibt es da große Unterschiede. In Nordrhein-Westfalen verdienen Pflegekräfte in den Heimen mit Zulagen im Schnitt 3000 Euro brutto. In anderen Bundesländern sind es bis zu 900 Euro weniger. Klar ist: Gute Fachkräfte in ausreichender Zahl bekommt man nur mit einer fairen Bezahlung.
Ab Januar 2015 gibt es erste Leistungsverbesserungen. Gilt das auch für die Pflegestufe null?
Gröhe: Ja. Auch Demenzkranke in der Pflegestufe null und ihre Angehörigen bekommen ab 2015 mehr Leistungen. Außerdem erhalten sie erstmals einen Anspruch auf Kurzzeit-, Verhinderungs-, Tages- und Nachtpflege. Den gibt es bisher in der Pflegestufe null nicht.
Alle warten auf die große Reform der Pflegestufen, auf das Ende der Minutenpflege. Und jetzt soll es noch mal bis 2017 dauern?
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Gröhe: Mehr Leistungen gibt es schon in wenigen Monaten, also Anfang 2015. Und auch bei den neuen Pflegegraden geben wir Gas. Wir müssen aber sicherstellen, dass die Verbesserungen auch wirklich bei den Pflegebedürftigen ankommen. Das wird jetzt in der Praxis erprobt. Und auch die Pflegeheime, die Pflegedienste und der Medizinische Dienst, der die Begutachtung durchführt, brauchen rund ein Jahr Zeit, um die neuen Regeln umzusetzen. 2017 wird die Reform Wirklichkeit.
Aus drei Pflegestufen werden dann fünf Pflegegrade. Was ändert sich?
Gröhe: Heute schaut man vor allem, wie viele Minuten physischer Unterstützung jemand für Körperpflege, Ankleiden und Essen braucht. In Zukunft wollen wir den individuellen Unterstützungsbedarf besser abbilden, unabhängig davon, ob der durch körperliche oder geistige Einschränkungen bedingt ist.
Müssen Pflegebedürftige ohne Demenz Angst haben, dass sie ab 2017 schlechter gestellt werden?
Gröhe: Nein. Es wird einen Bestandsschutz geben: Wer heute bereits Leistungen erhält, wird automatisch in die neuen Pflegegrade überführt und erhält weiterhin mindestens die gewohnten Leistungen.
Niemand, der schon Leistungen erhält, steht am 1. Januar 2017 schlechter da als heute?
Gröhe: So ist es.