Brüssel. . Bei den Europawahlen am 25. Mai räumen die Demoskopen den Rechts- und Linksparteien bis zu ein Viertel der Wählerstimmen ein. Ihre Themen (Aslyrecht, Schulden) kommen quer durch Europa gut an. Dennoch scheint die Mehrheitsbildung durch die etablierten Parteien nicht gefährdet zu sein.
Beim Twittern liegen sie schon vorn. Mehr als zwei Drittel der Abgeordneten benutzen mittlerweile den Kurznachrichtendienst, und niemand ist so populär wie Marine Le Pen, Chefin der französischen Rechtspartei Front National. Mit 281 000 Twitter-Gefolgsleuten (Follower) liegt sie vor ihrem linkspopulistischen Landsmann Jean-Luc Mélenchon und dem britischen EU-Verächter Nigel Farage. Aber auch an der Urne dürfen sich die Euro-Skeptiker diesmal verbesserte Chancen ausrechnen.
Natürlich sind die Vorhersagen für Europa-Wahlen besonders schwierig: Es geht um 28 Länder mit unterschiedlichem Wahlrecht und einer jeweils eigenen Überlagerung europäischer Gesichtspunkte durch das, was die Bürger gerade an der nationalen Politik aufregt oder interessiert. Doch hinsichtlich der Mandatsträger an den Rändern des Plenums sind sich die Demoskopen seit Monaten ziemlich einig: Ein Fünftel bis ein Viertel der Sitze, vielleicht sogar etwas mehr, werden sie erringen. Gut 200 der 751 Mandate sind drin.
Anhänger quer durch die EU
Anhänger haben sie quer durch die ganze EU. Im Norden sind es Die (wahren) Finnen, die Schwedendemokraten und die Dänische Volkspartei, im Osten Ataka aus Bulgarien, Jobbik in Ungarn) und die Groß-Rumänen. In Italien machen der Polit-Clown Beppe Grillo, die separatistische Lega Nord und Teile von Berlusconis Forza Italien Stimmung gegen „Brüssel“. In Griechenland sind in Gestalt der Goldenen Morgenröte regelrechte Neo-Faschisten am Werk, auch die Kommunisten sind erklärte EU-Gegner. Tief im Westen, auf den britischen Inseln, macht das Schand- und Großmaul Farage mit seiner UKIP den Alt- Parteien die Hölle heiß.
Und im Zentrum des Kontinents tummeln sich unter anderem die Partei für die Freiheit des niederländischen Islam-Hassers Geert Wilders, die Freiheitlichen aus Österreich, Frankreichs Front National und die Alternative für Deutschland (AfD) des Wirtschaftsprofessors Bern Lucke. Die jüngsten Umfragen sehen die AfD bei sieben Prozent – damit wäre sie sicher im Europa-Parlament, selbst wenn das Bundesverfassungsgericht die Fünf- und Dreiprozent-Hürde nicht gekippt hätte. Mit der Beseitigung der Schwelle hat aber auch Udo Voigt, Spitzenkandidat der rechtsextremen NPD, eine Chance.
Europa-Muffel finden schlecht zueinander
Die mehr oder weniger pro-europäischen Parteien der rechten und linken Mitte werden auch in Zukunft das parlamentarische Geschäft dominieren. Die Mehrheitsbildung scheint nicht in Gefahr: Schon in der auslaufenden Legislaturperiode haben die beiden größten Fraktionen – Christdemokraten und Sozialdemokraten – in fast drei Viertel der Fälle zusammen gestimmt. Richtig ist auch, dass Europa-Muffel schwer zueinander finden. Nur wer eine Fraktion zusammenbringt, hat Zugriff auf die Mittel und Positionen. Mindestens 25 Abgeordnete aus sieben EU-Staaten werden für die Bildung einer Fraktion gebraucht – das nötige Quantum Internationalismus fällt den Nationalisten schwer.
Europawahl 2014Die Fleißigsten sind sie nicht: Le Pen, Mélenchon und Farage – das Spitzen-Trio im Twitter-Ranking - gehören laut Befund der Parlamentskontrolleure der unabhängigen Organisation VoteWatch Europe zu den Volksvertretern, die bei Abstimmungen besonders häufig abwesend sind. Auch bei der Arbeit in den Ausschüssen machen sich die Populisten rar. Das heißt indes nicht, dass sie keine Chance auf Wirkung hätten. Zum einen können sie durch ihren Wahlerfolg die Konkurrenz unter Druck setzen, zum Beispiel beim Thema Zuwanderung. Zum anderen ist das Parlament eine Bühne, um die Organisation zu verbellen, von der man für solche Gegen-Propaganda jeden Monat mit einem fünfstelligen Betrag entlohnt wird.