München. . Ein Jahr nach dem Start kommt der NSU-Prozess vor dem Landgericht München nicht von der Stelle. Am Donnerstag wurde der Prozesstag - mittlerweile Nr. 111 - erneut abgebrochen. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe ist krank.
Am Morgen erscheint die Hauptangeklagte so wie die an den 110 Verhandlungstagen zuvor im Gerichtssaal des Münchner Landgerichts. Sie wendet ihr Gesicht von den Kameras ab und steht so lange im Schutz ihrer Anwälte, bis die Fernsehteams und Fotografen den Gerichtssaal verlassen haben.
Beate Zschäpes Gesicht ist zwar an diesem Tag besonders blass. Auch lächelt sie nicht ihren Verteidigern zu, wie sie es sonst tut. Trotzdem scheint es für einen Moment so, als könne der NSU-Prozess in der Woche seines ersten Jahrestages endlich wieder vorankommen. Doch dies erweist sich als Irrtum.
Denn kaum ist die Verhandlung eröffnet, meldet sich einer der Verteidiger der Hauptangeklagten. Wolfgang Heer erklärt, dass sich Zschäpe nicht in der Lage fühle, der Verhandlung zu folgen. Darüber hinaus erhebt er schwere Vorwürfe gegen die bayerische Justiz. So habe seine Mandantin schon vor der Abfahrt aus der Haftanstalt München-Stadelheim gegenüber dem Wachpersonal über Übelkeit und Magenschmerzen geklagt.
Justiz habe Bitte um Arzt für Zschäpe ignoriert
Die Bitte um eine ärztliche Untersuchung sei jedoch ignoriert worden, sagt Heer. Die Justizbeamten hätten Zschäpe vielmehr mitgeteilt, dass sie im Gerichtssaal erscheinen müssen, „komme was wolle“. Die Angeklagte sei dieser Aufforderung am Ende nur gefolgt, um einer Vorführung unter Zwang zu entgehen.
Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl unterbricht daraufhin die Sitzung und ordnet eine ärztliche Untersuchung an. Nach zwei Stunden, es ist nach 12 Uhr, teilt er mit, dass die „Verhandlungsunfähigkeit“ der Angeklagten festgestellt worden sei. Die Verhandlung sei endgültig für diese Woche abgebrochen.
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Die leidige Geschichte hatte bereits am Dienstagvormittag begonnen. Der erste Zeuge, ein Polizeibeamter aus Dortmund, wurde gerade vom Richter vernommen, als Verteidiger Heer eine sofortige Unterbrechung beantragte. Grund seien „gesundheitliche Probleme“ seiner Mandantin.
Es folgte ein von immer neuen Pausen unterbrochenes juristisches Ermüdungsgefecht, derweil vor dem Justizgebäude Demonstranten daran erinnerten, dass der Prozess genau vor einem Jahr begonnen hatte. Am Nachmittag erklärte schließlich ein Gerichtsarzt Zschäpe für eingeschränkt verhandlungsfähig, woraufhin die Generalbundesanwaltschaft die Vorführung der Angeklagten verlangte. Die Verteidigung konterte mit einem Befangenheitsantrag gegen den Arzt. Nach fünf Stunden erklärte der Vorsitzende Richter den Verhandlungstag für beendet.
Gerüchte um beschlagnahmten Brief
Für Spekulationen sorgte die Aussage der Verteidigung, dass Zschäpes Unwohlsein auch auf einer „schlechten Nachricht“ beruhe, die sie am Morgen erhalten habe. Über den Inhalt schwiegen sich die Anwälte jedoch aus. Nur Gerüchte, dass es der Großmutter der Angeklagten schlechter gehe, wurden von ihnen dementiert. Seither wird gemutmaßt, dass die Beschlagnahme eines dritten privaten Briefes von Zschäpe der Auslöser gewesen sein könnte.
Tags darauf, am Mittwoch, wurde gar nicht erst verhandelt. Nachdem sich die rund 100 Prozessbeteiligten versammelt hatten, trat Richter Götzl ohne Robe in den Gerichtssaal, um zu verkünden, dass sich Zschäpe krank gemeldet habe. Die Zeugen, darunter Uwe Böhnhardts älterer Bruder und die Ehefrau des Angeklagten Ralf Wohlleben, waren umsonst angereist.
Bilder zum NSU-Prozess
Ebenso erging es Juliane S. und Katharina M. am Donnerstag. Die beiden Zeuginnen gehören zu einer Familie, die Zschäpe, Böhnhardt und Uwe Mundlos im Sommerurlaub auf Fehmarn kennen gelernt hatte.
Immerhin hat die Hauptangeklagte jetzt Zeit, sich zu erholen. Die Verhandlung wird planmäßig erst am 19. Mai fortgesetzt. In der Zwischenzeit wird der Gerichtssaal für eine andere Verhandlung genutzt: den Bestechungsprozess gegen den sogenannten Formel-1-Mogul Bernie Ecclestone.