München. Vor Gericht berichtet die Mutter von Uwe Mundlos, wie sie von der Hauptverdächtigen im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, über den Tod ihres Sohnes informiert wurde - “Der Uwe ist nicht mehr.“ So lapidar ist auch ihre Aussage: Sie will rein gar nichts über dessen Terroristen-Werdung mitbekommen haben.
„Der Uwe ist nicht mehr. Der Uwe lebt nicht mehr. Der hat sich in die Luft gesprengt.“ Das soll Beate Zschäpe an einem Samstagmorgen gegen 8 Uhr der Mutter von Uwe Mundlos gesagt haben. Darüber, warum er sterben musste, fiel offenbar kein Wort. Zschäpe erwähnte nur den Banküberfall einen Tag zuvor in Eisenach. „Der einzige Grund, warum ich anrufe, weil der Uwe Euch sehr lieb gehabt hat“, sagte sie noch und dass sie nie wieder anrufen werde und auch „nicht zurückkomme“.
Seit diesem 5. November 2011 hatten die zwei Frauen keinen Kontakt mehr, bis Donnerstag: Am 102. Verhandlungstag im Münchner NSU-Prozess ist Ilona Mundlos Zeugin. Das erste Mal sitzen sich im Schwurgerichtssaal die beiden Frauen wieder gegenüber. Zschäpe mustert beim Reinkommen die Mutter ihres früheren Freundes. Sie lässt aber keine Reaktionen erkennen. Ilona Mundlos sieht nur kurz zur Angeklagten, bevor hinter dem Zeugentisch Platz nimmt und sich auf Richter Manfred Götzl konzentriert.
Mit dem Sohn auf der schiefen Bahn will sie wenig zu tun gehabt haben
Die 63-jährige Rentnerin wirkt resolut. Im Gegensatz zu ihrem Ehemann, der sich im Dezember mehrfach mit Richter Götzl angelegt hatte, tritt sie entspannt auf. Die Zeugin schildert ihre Familiensituation mit einem älteren Sohn im Rollstuhl und Uwe. Vormittags kümmerte sie sich um Robert. 30 Jahre lang habe sie dann vom Nachmittag bis in den Abend in einer nahegelegenen „Kaufhalle“ gearbeitet, um danach noch einmal Robert zu versorgen. Jetzt sei sie in Vorruhestandsrente. „Weil es nicht mehr ging“, fügt die Frau leise an.
Uwe – so spricht die Zeugin noch immer von ihrem toten Sohn - habe mehr Kontakt zu ihrem Mann gehabt. Die beiden seien auch spazieren gegangen, zum Camping gefahren oder ihr Mann habe beim Lernen geholfen. Von rechtsextremen Tendenzen ihres Sohnes will die Mutter nichts mitbekommen haben. Offenbar wurde sie weder stutzig, als Uwe Mundlos sich mit einem inhaftierten Neonazi geschrieben hatte, noch als gegen ihn 1996 ein Hausverbot in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald ausgesprochen wurde. „Sie seien da in den braunen Hemden aufgetreten“, erinnert sie sich nur.
Angeblich keine Diskussionen
Diskussionen zu Hause wegen solcher Ereignisse gab es offenbar nicht. Die erste Bomberjacke, ein rechtsextremes Szenesymbol, will sie ihrem Sohn selber gekauft haben. „Ich schäme mich dafür“, fügt die 63-Jährige nun an und erzählt, dass sie auch eine für Robert gekauft hatte. Im Rollstuhl seien die dunklen Ärmel praktisch gewesen, da wäre der Schmutz nicht so aufgefallen. Damals will sie nichts von der Bedeutung der Kleidung gewusst haben. Sie fand die Jacken einfach „schick“.
Die Hauptangeklagte beschreibt die Mutter als ein „liebes Mädchen“. Sie habe ihr auch mal „einen Weg abgenommen.“ Bei der Polizei vor zwei Jahren sprach Ilona Mundlos davon, dass Uwe sie „vergöttert“ habe. Sie sagte aber auch, dass Zschäpe „egoistisch“ gewesen sei. „Sie hatte Durchsetzungsvermögen“, begründet die Zeugin vor Gericht ihre Einschätzung. „Uwe und Beate“ seien seit 1993 „zusammen“ gewesen. Allerdings hätte sie die Beziehung 1995 während der Armeezeit von Uwe beendet, weil sie eine Beziehung mit Uwe Böhnhardt eingegangen war.
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Sie glaubten, der Sohn sei bereits tot
Verärgert scheint die Frau bis heute auf die Eltern von Uwe Böhnhardt zu sein. Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt waren am 26. Januar 1998 nach einer Polizeirazzia aus Jena geflohen und untergetaucht. In einer Garage fanden die Ermittler damals Teile von Rohrbomben. Die 63-Jährige beharrte vor Gericht darauf, den letzten Kontakt mit ihrem Sohn zwei Tage nach der Razzia abends vor ihrer Kaufhalle gehabt zu haben. Nach dem Tod von Uwe will sie erfahren haben, dass die Böhnhardts offenbar noch Verbindung zu den Flüchtigen hatten, darüber aber nie geredet wurde.
Sie und ihr Mann hätten geglaubt, dass Uwe tot war. Wenn er gekonnt hätte, hätte er sich gemeldet, ist Ilona Mundlos bis heute überzeugt. Nach dem Verschwinden der Drei seien einmal Leute vom Verfassungsschutz bei ihrem Mann gewesen. Diese hätten gesagt, dass „wir nicht mit unseren Telefon mit ihm telefonieren sollen“. Das sei alles gewesen, was ihr Mann ihr nach dem Gespräch gesagt habe. Grund war die mögliche Überwachung des Anschlusses durch die Polizei.
Ihr Sohn habe ihr beim letzten Kontakt vor der Kaufhalle gesagt, dass er verschwinden müsse, für zehn Jahre, weil ihm „wegen der Sachen in der Garage“ sieben Jahre Haft drohen würden. Zuvor hatte er sich mit ihrer EC-Karte noch einmal Geld geholt. Die Mutter betont vor Gericht mehrfach, dass Uwe damals nichts mit Waffen zu tun hatte, dass er nur für den Schreibkram verantwortlich war. Das jedenfalls soll er ihr gesagt haben.
Keine Kritik am Sohn, keine Wort des Bedauerns
Bei Wohlleben, der im Münchner Prozess ebenfalls angeklagt ist, entdeckten die Eltern dann das Auto ihres untergetauchten Sohnes vor der Haustür. Sie nahmen es wieder mit. Die 63-Jährige bestätigt dem Gericht, dass ihr Mann den Wohlleben dann eine Woche lang auf Arbeit gefahren hat, weil dieser kein Fahrzeug mehr hatte.
Mehrmals erklärte die Zeugin bei konkreten Fragen, da müssen sie meinen Mann fragen. Immer einmal wieder verweist sie darauf, dass sie sich vor allem um ihren zweiten Sohn Robert gekümmert habe.
Während der gesamten Befragung kamen keine kritischen Bemerkungen zum Verhalten ihres Sohnes Uwe über ihre Lippen. Sie fand auch keine Worte der Entschuldigung und des Bedauerns für die Opfer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), jener mutmaßlichen Terrorzelle von Rechtsextremen, der Uwe Mundlos angehört haben soll.