München. Beim NSU-Prozess hat sich der Vater Uwe Böhnhardts in seiner Aussage an die Angehörigen der Opfer gewandt. Was sein Sohn mutmaßlich getan habe, sei “bösartig und gemeingefährlich“ gewesen. Es tue ihm “unendlich leid“. Zur Zeit vor dem Auffliegen des Trios betonte er: Wir haben nichts geahnt.
Ähnlich wie seine Ehefrau macht der Vater von Uwe Böhnhardt staatliche Institutionen und die politische Wende in der DDR für die NSU-Verbrechen mitverantwortlich. In seiner Zeugenanhörung vor dem Oberlandesgericht München äußerte er Vorwürfe gegen Schule und Behörden und bezeichnete die Arbeitslosigkeit in den 1990er Jahren indirekt als eine Ursache für das Abgleiten seines Sohnes in die rechte Szene.
Nach 1989, in der fünften, sechsten Klasse, sei es bei seinem Sohn "mit den Problemen" los gegangen, sagte Böhnhardt. So habe Uwe die Schule und die Klasse wechseln müssen, als die DDR-Oberschulen in Regelschulen und Gymnasien getrennt wurden. Der Sohn kam auf eine Regelschule. "Er wollte uns nicht glauben, dass man auch nach dem Umschwung (…) gute Leistungen bringen muss", erklärte der Vater.
"Dass Uwe geschwänzt hat, sahen wir erst auf dem Zeugnis"
Kritik übte Böhnhardt an dem Sozialarbeiter, der den Jugendclub in Jena-Winzerla betreute, in dem sich die rechte Szene traf. Es sei von dessen Seite "nie etwas" von den rechtsextremistischen Umtrieben "an uns heran getragen" worden. Dasselbe gelte auch für die Schule. "Dass Uwe geschwänzt hat, sahen wir erst auf dem Zeugnis". Im Übrigen habe "keine Schule" das "Problemkind" Uwe aufnehmen wollen.
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Zudem seien sein Sohn und dessen Freundin Beate Zschäpe in den 1990er Jahren lange arbeitslos gewesen. Beide hätten gerne arbeiten wollen, aber keine Stelle gefunden oder seien nach kurzer Beschäftigung wieder entlassen worden. Es sei auch vielen Freunden Uwes so gegangen, sagte der Vater.
"Sehr scharfe" Diskussion nach rechtsradikalen Delikten
Von den rechtsextremem Aktionen seines Sohnes will Böhnhardt nur wenig mitbekommen haben. "Das haben wir damals überhaupt nicht geahnt", sagte er. Das sei "höchstens mal unterschwellig angekommen". Waffen oder rechtsextreme Kleidung habe sein Sohn nicht in der Wohnung gelagert. Allerdings: "Springerstiefel und Bomberjacke, das war normal". Man habe Uwe dennoch verboten, "diese Uniform" in der Wohnung oder bei gemeinsamen Ausflügen zu tragen.
Böhnhardt erklärte, er habe den "Ernst der Lage" nicht erkannt - obwohl sein Sohn mehrfach von der Polizei wegen rechtsradikalen Delikten aufgegriffen wurde und sich im ehemaligen KZ Buchenwald "daneben benommen" hatte. Man habe deshalb zwar "sehr scharf" mit dem Sohn diskutiert, aber keine Wirkung erzielt.
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Das Trio mehrfach zum Aufgeben aufgefordert
Der Vater räumte drei Treffen mit dem Trio nach dessen Untertauchen in Chemnitz ein. Wie auch schon zuvor bei konspirativen Telefonaten habe man bei den Begegnungen in den Jahren 1999, 2000 und 2002 versucht, Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zur Rückkehr zu bewegen. Man habe gesagt: "Kommt zurück, stellt euch, es wird nur schlimmer." Doch die Antwort sei stets gewesen: "Nein, wir bleiben."
Mit einigen emotionalen Sätzen wandte sich Böhnhardt direkt an die Opfer des NSU-Terrors. Das, was sein Sohn mutmaßlich getan habe, sei "bösartig und gemeingefährlich" gewesen. Es tue ihm "unendlich leid". Er könne sich gut in die Angehörigen der Ermordeten hinein versetzen, weil er selbst schon 1988 seinen Sohn Peter bei einem Unfall verloren hätte, ohne die genaue Hintergrund des Todes zu kennen.
Jürgen Böhnhardt bedankte sich bei den Opfern, "dass sie uns nicht zur Rechenschaft gezogen haben". Dies passiere jetzt vielleicht vor Gericht, "weil wir Fehler gemacht haben".