Berlin. Vor zwei Jahren glaubten viele, die von zweistelligen Umfragewerten beflügelten Piraten würden zur Volkspartei. Nun müssen sie kämpfen, um überhaupt Gehör zu finden. Von der Europawahl erhoffen sie sich Aufwind. Spitzenkandidatin Julia Reda zeigt sich zuversichtlich.

Trotz interner Zerwürfnisse in der Piratenpartei sieht Spitzenkandidatin Julia Reda Chancen auf den Einzug von drei bis vier deutschen Kandidaten ins Europaparlament. Drei Prozent sei das Ziel bei der Wahl am 25. Mai, sagte Reda der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. Weil keine Drei-Prozent-Hürde mehr gilt, haben Kleinparteien bessere Chancen. EU-weit gehe sie von sechs Piraten im Europäischen Parlament aus, sagte die 27-Jährige.

"Es gibt einen großen Unterschied zwischen der Stimmung vor Ort und der Stimmung im Netz", sagte Reda. "Es ist nicht so, dass die Partei keinen Wahlkampf machen will." Auslöser für den jüngsten internen Zwist war eine Oben-ohne-Aktion der Europakandidatin Anne Helm - vor der Dresdner Semperoper dankte sie den Alliierten im Februar auf provokante Weise für die Bombardements Deutschlands im Zweiten Weltkrieg. Zahlreiche Sympathisanten hatten daraufhin in sozialen Netzwerken einen Wahlkampf-Boykott angekündigt.

Reda zeigte sich zuversichtlich, dass die Piraten in Deutschland wieder stärker anhand inhaltlicher Ziele Tritt fassen und EU-weit durch die Europawahl gestärkt würden. Sie plädierte für eine ständige Mitgliederversammlung im Internet mit verbindlichen Entscheidungen zwischen den Parteitagen, um die deutschen Piraten handlungsfähiger zu machen. Europaweit solle das Instrument der "Liquid Democracy" eingeführt werden, damit die Piraten über die Grenzen hinweg Feedback an ihre Europaabgeordneten geben könnten.

Piraten zielen vor allem auf Verbesserung für Migranten

Reda bestritt einen Richtungsstreit in der Partei nicht. Die einen wollen einen strikten Linkskurs, andere eine sozialliberale Richtung, und es gibt Forderungen nach einer Rückbesinnung auf die für die Partei klassischen Netzthemen. Reda meinte, das müsse nicht immer im Widerspruch zueinander stehen. Sie selbst stehe politisch links und arbeite zugleich an den Internetthemen ihrer Partei.

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Für die Kritik der Piraten am geplanten Freihandels- und Investitionsschutzabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA interessierten sich im Wahlkampf viele Menschen, nicht nur bisherige Piraten-Wahler. "Wir fürchten einen schleichenden Abbau der parlamentarischen Demokratie", sagte Reda. So drohten bei künftigen Gesetzesvorhaben - etwa für einen strengeren Datenschutz - bereits im Frühstadium Schadenersatzklagen von US-Unternehmen.

Neben dem Ausbau der Demokratie auch auf EU-Ebene ziele die Piratenpartei im Wahlkampf vor allem auf mehr Grundrechte und Verbesserungen für Migranten und Asylbewerber, sagte Reda. "Es kann nicht sein, dass die EU Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt." (dpa)