Moskau/Kiew. Eine Mission aus OSZE-Militärbeobachtern ist für die Separatisten in der Ukraine der Beweis, dass der Westen die prorussischen Aktivisten ausspioniert. Die Abtrünnigen missachten internationale Regeln und stellen ihre Geiseln zur Schau. Warum die OSZE nicht sieht, was offensichtlich ist: Russische Soldaten sind längst da. Eine Analyse.
Vor einigen Tagen unterhielt sich in der Lobby eines Donezker Hotels ein OSZE-Beobachter mit einem russischen Reporter. Der Reporter erzählte, er habe in Slawjansk mit Soldaten gesprochen, die offen sagten, dass sie einer russischen Spezialeinheit aus Rjasan angehörten. „Wirklich“, staunte der OSZE-Mann, „können sie mir die Adressen und Telefonnummern geben?“
Die OSZE sieht keine Beweise, dass russische Militärs in die ostukrainischen Unruhen verwickelt sind. Obwohl solch ehrliche russische Krieger vielen deutschen Korrespondenten in Slawjansk begegnet sind. Und obwohl dort ein Rebellenführer posiert, der sich vor Videokameras als „Oberstleutnant der russischen Armee“ vorstellt, Journalisten Autogramme gibt, auf denen er mit dem Kodenamen „Bes“ (zu deutsch: Dämon) unterschreibt. Nach ukrainischen Geheimdienstangaben ist es Igor Besler, Russe und Oberstleutnant, er soll kürzlich die Ermordung eines pro-ukrainischen Lokalabgeordneten befohlen haben.
Sicher sind zur Zeit auch die Angaben der ukrainischen Sicherheitsorgane mit Vorsicht zu genießen. Vor Ort gilt es als allerdings als offenes Geheimnis, dass russische Geheimdienstler und Elitesoldaten das Rückgrat der bewaffneten Separatistenrebellion im Gebiet Donezk darstellen. Die OSZE-Beobachter berichten bisher offiziell nur von „Anzeichen“ für die „Anwesenheit russischer Berater“. Aber selbst höchste russische Amtsträger mischen ihre Dementis mit Häme, die das Gegenteil bestätigt.
Moskaus schwarze Katze
Es sei schwer, in einem Zimmer ohne Licht eine schwarze Katze zu finden, vor allem, wenn sie gar nicht da sei, witzelte Verteidigungsminister Sergei Schoigu unlängst. Das sei umso dümmer, wenn die Katze klug, kühn und höflich sei – eine augenzwinkernde Anspielung auf das neue Image der russischen Armee nach der erfolgreichen Krimbesetzung.
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Es ist also – vorsichtig formuliert – wahrscheinlich, dass das Schicksal der OSZE-Militärbeobachter, die am Freitag von den Separatisten in Slawjansk gefangen genommen wurden, nicht der pro-russische Volksbürgermeister Wjatscheslaw Ponomarjow entscheidet, sondern russische Geheimdienstoffiziere. Zumal Ponomarjow und die anderen Führer der „Volksrepublik“ wie Sprechpuppen mit immer neuem Text wirken: Erst dementiert er die Festnahme der OSZE-Militärs, dann behauptet er, ihr Autobus sei mit Dumdum-Geschossen beladen, später entlarvt er sie als „Spione“, die Sabotageakte planten, schlägt schließlich vor, sie gegen festgenommene Separatisten auszutauschen...
Propaganda des Kreml
Die schwarze Katze, die Russland im ukrainischen Donbass-Gebiet ausgesetzt hat, lügt wie gedruckt. Das gilt für ihr gewalttätiges Tagesgeschäft, aber auch für ihre ganze Mission. Moskaus schwerbewaffnete Kleinkrieger verbarrikadieren sich in Donezker Polizeiwachen, angeblich, um die russischsprachige Bevölkerung vor der Blutgier anrückender „Bandera-Faschisten“ aus Kiew zu schützen. Aber in den Städten und den Regionen, die die Kiewer „Hunta“ kontrolliert, herrscht Frieden, während die prorussische „Volksrepublik Donezk“ sich längst zu einer Bühne für Schießereien, Massenschlägereien, Kidnapping und Mord verwandelt hat.
Russland veranstaltet hier eine neue Art von Krieg. Seine mit Donkosaken aufgefüllten Militärkommandos sammeln jenen Teil der russischsprachigen Bevölkerung um sich, deren Unmut über das politische Chaos in den Glauben an die Moskauer Propaganda-Mythen gekippt sind: Amerika hat die Macht in Kiew übernommen, schon sind genmanipulierte US-„Ledernacken“ unterwegs, um die Menschen in Donezk abzuschlachten. Putin hilf!
Der unerklärte Krieg
Es ist der unerklärte aber aggressive Krieg einer „Fünften Kolonne“, die auf die Sympathie der örtlichen Bevölkerung setzt. Ihr Problem: Wo keine erklärten Oberstleutnante der russischen Armee mit ihren schwerbewaffneten Helfershelfern auftauchen, rühren sich auch die pro-russische Donezker nicht. Aber es ist möglich, dass russische Diversanten die Maifeiertage für eine neue Offensive nutzen. Man darf gespannt sein, ob OSZE und westliche Weltöffentlichkeit Moskaus schwarze Katze dann entdeckt.