Oberhausen. Vitali Klitschko, früherer Box-Weltmeister und heute Politiker in der Ukraine, hat seinen Bruder Wladimir zum WM-Kampf nach Oberhausen begleitet. Am Rande des Rings erklärte er, warum er Angst vor einem Krieg in seiner Heimat hat.
Herr Klitschko, wie geht es Ihnen? Konnten Sie trotz der Krise in der Ukraine diesen Boxabend mit ihrem Bruder hier in Oberhausen genießen?
Vitali Klitschko: Ja, konnte ich. Ich durfte den Kampf von Wladimir nicht verpassen, ich war bei allen seinen Kämpfen dabei – so wie Wladimir immer bei mir dabei war. Ich hatte heute richtig Spaß daran zu sehen, wie souverän, wie dominant Wladimir ist. Das war Boxen wie aus dem Lehrbuch. Wir dürfen nicht vergessen: Das war ein Kampf gegen den offiziellen Herausforderer. Alex Leapai hat vorher alle ausgeknockt, aber gegen Wladimir sah er aus wie ein Box-Anfänger.
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Ihr Bruder hat gesagt, sein Kampf sei wichtig für die Menschen in der Ukraine, er könne Sie ablenken, aufmuntern und Menschen aus Ost und West emotional verbinden. Ist das so?
Klitschko: Die Klitschkokämpfe haben in der Ukraine immer eine riesige Einschaltquote im Fernsehen. Nelson Mandela hat gesagt: Der Sport hat die Kraft, die Welt zu verändern. Unserer Meinung nach hat auch das Boxen das Potenzial, ein Land zu verändern, die Ukraine zu einen.
In Russland wurde der Kampf nicht gezeigt ...
Klitschko: ... zum ersten Mal in unserer Karriere.
Hat das etwas mit Ihrem Engagement als Politiker zu tun?
Klitschko: Ich bin mir sicher. Ich weiß es. Wir haben eine riesige Fangemeinde in Russland. Aber der russische Präsident Wladimir Putin ist unglücklich darüber, denn bei unseren Kämpfen wird die ukrainische Hymne gesungen, es ist die ukrainische Fahne zu sehen, und ein ukrainischer Sportler ist der Stärkste.
Komischerweise haben auf einmal alle russischen Fernsehsender abgesagt. Normalerweise kämpfen sie um die Rechte an den Klitschkokämpfen. Sie wollen, aber sie dürfen nicht. Dabei muss der Sport die Menschen doch zusammenbringen, das ist unsere Aufgabe.
Wie groß ist Ihre Angst vor einem Krieg in der Ukraine?
Klitschko: Ich habe riesige Sorgen. Innerhalb der Ukraine gibt es keinen Grund für einen Krieg. Es kann nur dazu kommen, wenn das von Russland künstlich aufgeblasen und unterstütz wird. Sonst gibt es keinen Krieg. Aus welchem Grund auch? Wegen der Sprache? Wir sind Ukrainer, obwohl wir russischsprachig sind. Russische Sprache, ukrainische Sprache – wir verstehen einander sehr, sehr gut. Wegen der Nationalität, wegen der Geschichte, wegen des Glaubens? Diese Fragen gibt es nicht.
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Das Wichtigste heute ist: Jeder Ukrainer, im Westen, Osten, Süden und Norden, will einen normalen europäischen Lebensstandard haben. Sichere Jobs, feste Monatsgehälter, eine normale Pension. Das ist das Wichtigste. Bei allem, was im Moment passiert, wird von außerhalb der Ukraine Regie geführt.
Aber gibt es im Osten des Landes nicht einen großen Bevölkerungsteil, der sich gern an Russland anschließen würde?
Klitschko: Das ist alles künstlich. Es gibt wahrscheinlich eine Gruppe. Aber fast 80 Prozent der Menschen in der Ukraine wünschen sich einen Anschluss an die Europäische Union. Wenn eine Gruppe in Russland leben möchte, soll sie das tun. Wir könnten dazu ein Referendum machen – aber in der ganzen Ukraine, nicht nur in einem Landesteil. Alles, was auf der Krim passiert ist, ist von außen gesteuert worden.
Wird man Sie noch einmal im Ring erleben?
Klitschko: Als Sekundant meines Bruders.
Und als aktiven Boxer?
Klitschko: Ab und zu gehe ich in den Ring, um zu trainieren. Boxen ist eine sehr gute Belastung für den Körper. Aber ich habe keine Pläne, offiziell in den Ring zurückzukehren. Ich werde 43, und ich habe nichts mehr zu beweisen. Ich habe mir alle Träume erfüllt. Ich habe meinen Titel wieder und wieder verteidigt, manchmal zum zweiten Mal gegen dieselben Gegner. Andere Titel kann ich nicht dazugewinnen, die hält ja alle mein Bruder. Deswegen macht es für mich keinen Sinn, im Boxen zu bleiben. So bekommt hoffentlich Wladimir die Chance, meinen Titel zurück in die Familie zu holen.