Washington. . Vor zehn Jahren tauchten die Folterbilder aus dem US-Gefängnis Abu Ghreib im Irak auf. Bis heute kämpfen Betroffene in den USA um juristische Anerkennung ihrer Leiden. Nur wenige verantwortliche Militärs wurden wegen der Vorfälle belangt, beklagen Bürgerrechtler. Ein Prozess könnte die Vorgänge der Öffentlichkeit wieder bewusst machen.
Zehn Jahre nach Bekanntwerden schwerer Misshandlungen irakischer Häftlinge im Skandal-Gefängnis Abu Ghraib durch US-Militär und angeheuerte Subunternehmer suchen vier Betroffene vor US-Gerichten noch immer nach Gerechtigkeit. Taha Yaseen Arraq Rashid, Suhail Al Shimari, Saad Al-Zubae und Salah Al-Ejaili wollen vor der Justiz schildern, wie sie von Mitarbeitern der US-Firma „Caci International“ vor Verhören fortgesetzt misshandelt wurden.
Wie Katherine Gallagher, Anwältin bei der Menschenrechts-Organisation „Center of Constitutional Rights“, auf Anfrage dieser Zeitung sagte, wird ein Berufungsgericht in Richmond im US-Bundesstaat Virginia bald darüber entscheiden. „Es geht um Elektroschocks, sexuelle Gewalt, erzwungene Nacktheit, Knochenbrüche, extreme Temperaturwechsel und den Entzug von Sauerstoff, Nahrung und Wasser“, so die Juristin, „unsere Mandanten wurden ihrer Würde und Menschlichkeit beraubt. Die Firma Caci hat von Staatsaufträgen profitiert und dabei Gesetze gebrochen.“
Nackte Häftlinge mit Stoffhauben
Das vor den Toren Washingtons in Arlington beheimatete Unternehmen ist mit einem Umsatz von zuletzt 3,7 Milliarden Dollar und über 12 000 Mitarbeitern einer der größten Vertragspartner des US-Verteidigungsministeriums. Die Firma weist alle Vorwürfe zurück.
Am Abend des 28. April 2004, heute vor zehn Jahren, hatte der Sender CBS über den „Horror von Abu Ghraib“ erstmalig berichtet: Nackte Häftlinge, deren Köpfe mit Stoffhauben verhüllt waren. Entwürdigend aufgestapelt zu menschlichen Pyramiden. Angeleint wie Tiere. Selbst nach ihrem Tod noch misshandelt. Das alles fotografiert von grinsenden US-Soldaten und ihren Helfern.
Die Aufnahmen waren Ende 2003 in der Haftanstalt Abu Ghraib bei Bagdad gemacht worden. Sie lösten in der muslimischen Welt einen Sturm der Entrüstung aus. Sie tragen bis heute zum Ansehensverlust Amerikas in der Welt bei.
Nur wenige Verurteilte
Hauptgrund: Entgegen den Beteuerungen der damaligen US-Regierung unter George W. Bush, die das „völlig inakzeptable und unamerikanische“ Verhalten des Gefängnispersonals rückstandslos aufzuklären versprach und alle Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen wollte, sind bis heute nicht mehr als ein Dutzend US-Soldaten der unteren Ränge verurteilt worden. Darunter Lynndie England und Charles Graner Jr., deren Foto um die Welt ging. Es zeigte sie vor einem Haufen nackter Iraker – mit zynischer Daumen-Hoch-Geste.
Bürgerrechtler beklagen, dass auch unter Präsident Obama keine ranghohen Militärs entlassen wurden und Entschädigungszahlungen für die Betroffenen weitgehend ausgeblieben sind.
In der amerikanischen Öffentlichkeit spielt das „dunkle Kapitel Abu Ghraib“ (Washington Post) zehn Jahre danach kaum eine Rolle mehr. In der jüngeren Generation, so hat Anwältin Gallagher es bei Vorträgen an Universitäten beobachtet, „wissen nur noch wenige, was damals im Namen Amerikas geschehen ist“. Ein Prozess, in dem die Betroffenen ihre Geschichte erzählen können, „ist darum notwendig, damit wir uns als Land darüber klar werden: Abu Ghraib darf nie wieder geschehen.“