Düsseldorf. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat in deutlichen Worten mit den eigenen Parteigenossen abgerechnet. “Wenn mich einer bekämpft, dann in der Regel die eigenen Leute“, sagte Kraft auf einer Wahlkampfveranstaltung in Sachsen-Anhalt. Die harsche Ansage macht viele Genossen ratlos.

Der raue Berliner Polit-Betrieb ist Hannelore Kraft (SPD) fremd geblieben. Stets atmete die Düsseldorfer Ministerpräsidentin spürbar auf, wenn ihr Flieger wieder heimischen Boden ansteuerte. Mit einem Paukenschlag kurz vor dem Osterfest hat die bodenständige Sozialdemokratin aus Mülheim ihre Genossen an der Spree nun aufgeschreckt.

Auf einer Wahlkampfkundgebung in Sachsen-Anhalt las Kraft den roten Parteifreunden die Leviten. „Wenn mich einer bekämpft, dann in der Regel die eigenen Leute“, ließ die SPD-Vizechefin mächtig Dampf ab. Das Willy-Brandt-Haus war geschockt. Die SPD-Frauen-Vorsitzende Elke Ferner sah sich genötigt, den „guten Stil“ in der Partei zu verteidigen.

Intrigen, Eitelkeiten, Heckenschützen

Der Tritt gegen die eigenen Leute war nicht Krafts erste Abrechnung mit der SPD-Führung. Als die in Umfragen gut platzierte Hannelore Kraft 2013 bedrängt wurde, als Kanzlerkandidatin anzutreten, schaltete die Ministerpräsidentin auf stur. „Ich werde nie, nie als Kanzlerkandidatin antreten“, verkündete sie in interner Sitzung und hatte keine Einwände, dass das Zitat schnell an die Öffentlichkeit gelangte. Intrigen, Eitelkeiten, Heckenschützen – das war nicht ihr Ding.

„Die Art und Weise, wie in Berlin Politik gemacht wird“, widerspreche ihrer Haltung, sagte Kraft jetzt in einer Podiumsdiskussion in Ahlsdorf. Als „schwärzester Moment in der Parteigeschichte“ war ihr der von Parteifreunden provozierte Sturz des damaligen Parteivorsitzenden Kurt Beck in Erinnerung. Ein Lehrstück für Andere. „Wir sind alle darauf gefasst. Es kann einem passieren. Man muss damit rechnen.“ Basta.

"Bin nicht abhängig von Politik"

Einmal in Fahrt, gab Hannelore Kraft in Sachsen-Anhalt richtig Gas. „Ich bin nicht abhängig von Politik. Ich hab’ was Ordentliches gelernt. Ich könnte auch wieder zurück in die Wirtschaft. Das gibt eine Menge Freiheit. Ich habe keine Leichen im Keller. Mir kann keiner was. Ich sage meine Meinung, so wie sie ist. Das hat in den Koalitionsverhandlungen auch nicht jedem gefallen.“ In der SPD war nach Krafts Philippika gegen Gabriel & Co. von „Larmoyanz“ die Rede. Kraft selbst erinnerte daran, dass sie „seit 14 Jahren in der Spitze Politik“ mache. „Das geht an die Substanz.“

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Geradezu erleichtert beschrieb die Ruhrpott-Politikerin die Tatsache, dass sie im heimischen Mülheim noch einkaufen gehen könne. „Meine Stärke ist nicht, bei irgendwelchen G-20-Runden in Europa am Tisch zu setzen.“ Ein Seitenhieb auf Kanzlerin Angela Merkel, die auf der großen Weltbühne turnt, während Kraft „Tatkrafttage“ in der Provinz vorzieht. „Dafür bin ich in die Politik gegangen. Und das mache ich jetzt“, sagte die NRW-Chefin.

Später würde sie gern eine Suppenküche aufmachen und sich um Kinder kümmern.

Warum gerade jetzt vom Leder gezogen?

Warum die 52-jährige Ministerpräsidentin gerade jetzt derart vom Leder zog, macht viele Genossen ratlos. In Umfragen erreicht die SPD gerade noch 23 Prozent, während Merkels Union mit 42 Prozent Zustimmung fast unerreichbar scheint. Passt Kraft die ganze Richtung nicht? Schließlich hatte sie sich bis zuletzt gegen die Große Koalition gewehrt, die ihr rot-grünes Bündnis am Rhein beschwert. Kraft will weiter in Düsseldorf bleiben – und ihren eigenen Stil pflegen. „Ich habe zu Hause einen Spiegel hängen, und ich möchte Politik so machen, dass ich den Spiegel nicht zuhängen muss.“