Essen. Immer mehr Ministerien fordern bei Gesetzentwürfen fremde Hilfe an. Seit 1999 ließen sich Bundesregierungen bei insgesamt 60 Vorhaben durch Private beraten. Den größten Bedarf hatte das Umweltressort. Doch wo hört Sachverstand auf und wo beginnt Korruption?

In den vergangenen Jahren haben weitaus mehr Kanzleien, Institute oder andere externe Gutachter an Gesetzen und Verordnungen mitgeschrieben als bislang bekannt. Seit 1999 ließen sich Bundesregierungen bei insgesamt 60 Vorhaben durch Private beraten. Den größten Bedarf hatte das Umweltressort.

Mehr als die Hälfte der Fälle (35) entfiel auf das Bundesumweltministerium. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion der Linken hervor, die der WAZ vorliegt. Bislang verteidigte das Umweltministerium die Auftragsvergaben damit, dass Fachwissen fehle. Der Bund der Steuerzahler indes hält die „inflationäre Hinzuziehung von externem Sachverstand” für Steuergeldverschwendung.

Es war im vergangenen Sommer, als sich der Himmel für den damaligen Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) plötzlich verdunkelte. Als bekannt wurde, dass er den Auftrag für einen Gesetzentwurf zur Rettung maroder Banken an die Großkanzlei Linklaters vergeben hatte und auf der fertigen Vorlage auch noch der Schriftzug des Unternehmens prangte, prasselte die Kritik auf den CSU-Jungstar hernieder: Mit Herrn Von und Zu habe man den Bock zum Gärtner gemacht.

Linklaters: kein Einzelfall

Tatsächlich aber ist die Affäre Linklaters kein Einzelfall. In den Bundesministerien gehen immer mehr externe Fachleute ein und aus, sie schreiben an mehr Gesetzen und Verordnungen mit als bislang bekannt. Und obwohl Sachverstand und Expertise eigentlich Aufgabe der nachgeordneten Fachbehörden ist, geben die Ministerien Millionen Euro für externe Gutachter aus.

Wie groß mittlerweile der Einfluss Privater auf die Gesetzgebung geworden ist, zeigt eine Auflistung, die die Große Koalition als eine ihrer letzten Amtshandlungen an die Bundestagsfraktion der Linken übersandt hat. Seit 1999 – damals kam Rot-Grün an die Macht – haben externe Gutachter an 60 Gesetzen und Verordnungen direkt mitgeschrieben.

3,6 Millionen an Honoraren

Ganz vorne dabei: das Bundesumweltministerium. 35-mal holte sich das Haus externen Sachverstand. Rund 3,6 Millionen Euro flossen an Honoraren. Unter den Empfängern findet sich insbesondere Ecologic, eine „Denkfabrik” für Umweltforschung. Sie allein erhielt rund 1,8 Millionen Euro für „juristische und fachliche Unterstützung” beim Emissionshandelsrecht, beim Entwurf eines Wärmegesetzes oder für die Mitarbeit an einem Umweltgesetzbuch. Ecofys, ein Beratungsunternehmen für erneuerbare Energien, half bei Verordnungen für Windenergieanlagen und kassierte dafür 166 700 Euro.

Buchstäblich im Dunkeln bleibt, bei welchen Gesetzen und zu welchen Kursen das Finanz- und das Wirtschaftsministerium Private an die Feder ließen. Diese Angaben werden als vertraulich eingestuft und in der Liste geschwärzt. Die Zahlen und Namen wurden an die „Geheimschutzstelle des Bundestages” gesandt.

Wo aber hört externer Sachverstand auf, wo beginnt die Arbeit der Lobbyisten, die ihre Anliegen in Gesetzestexte einfließen lassen? Das Umweltministerium erklärte dazu in der vergangenen Legislaturperiode vor dem Hintergrund der Linklaters-Affäre: Man habe die Vorschriften eingehalten und von externen Beratern keine kompletten Gesetzestexte schreiben lassen.

Wer sind die Menschen?

Für die Antikorruptionsorganisation Transparency International ist das eine schwache Argumentation. Denn wer da den Ministerien zuarbeite, werde der Öffentlichkeit vorenthalten: „Wir fordern ein Lobbyistenregister, das Bürgern verdeutlicht: Wer sind die Menschen, die in Berlin Politik beeinflussen?”, sagt Geschäftsführer Christian Humborg. Seiner Erfahrung nach hätten Gesundheits- und Pharmaindustrie, Energie- und Finanzwirtschaft die eifrigsten Lobbyisten. Deren Wirken will Humborg kenntlich machen: „Wir brauchen einen legislativen Fußabdruck, also einen Nachweis darüber, wer an einem Gesetz mitgearbeitet hat. Es muss nachvollziehbar sein, welche Personen oder Organisationen Einfluss ausgeübt haben.”

„Auf externen Sachverstand gelegentlich zurückzugreifen, ist in Ordnung”, sagt Karl Heinz Däke, der Präsident des Bunds der Steuerzahler. Doch die „inflationäre Hinzuziehung” von externem Sachverstand innerhalb der vergangenen zehn Jahre müsse sehr kritisch betrachtet werden. Immerhin säßen in den Ministerien rund 21 000 Mitarbeiter, teils hochbezahlte und hochqualifizierte Fachkräfte. Deren originäre Aufgabe sei es unter anderem, Gesetzentwürfe zu erarbeiten. „Dieses Personal wird vom Steuerzahler finanziert”, sagt Däke. „Dass zunehmend Externe mit diesen Aufgaben betraut werden, die zusätzlich bezahlt werden müssen, geht eindeutig zu weit und grenzt an Steuergeldverschwendung.“

Sachverstand abgebaut

„Da wird sich einiges in die Taschen gelogen”, heißt es in den gescholtenen Ministerien. Weil seit Jahren Stellen abgebaut würden, die Zahl von Gesetzen und Verordnungen aber stetig zunähme, sei man ohne fremde Hilfe schlichtweg aufgeschmissen. Als Beispiel wird das Gesetzespaket für Klima und Energie genannt. „2008 mussten innerhalb eines halben Jahres 16 Gesetze und Verordnungen auf den Weg gebracht werden”, sagt ein Mitarbeiter. Er bestätigt, was die Lobbyisten in der Hauptstadt längst als Glücksfall sehen: Ohne Externe sind manche Gesetzgebungsverfahren nicht mehr zu schaffen.