Berlin. Eine neue EU-Richtlinie führt dazu, dass Verbraucher demnächst vielleicht nicht mehr erkennen können, ob der Honig im Supermarkt mit gentechnisch veränderten Pollen verunreinigt ist oder nicht. Das könnte sich auch auf andere Lebensmittel auswirken. Die Richtlinie war jetzt auch Thema im Bundestag.

Es klingt beinahe nach einer Bürokratie-Posse: Derzeit geht das EU-Parlament der Frage nach, ob eine Blütenpolle im Honig eigentlich eine Zutat oder doch eher ein natürlicher Bestandteil ist.

Reine Spitzfindigkeit? Keineswegs. Denn die Antwort auf die Frage entscheidet darüber, ob künftig auf Honiggläsern die Verwendung von gentechnisch veränderten Inhaltsstoffen angegeben werden muss oder nicht.

Verbraucher können Genfood nicht erkennen

Denn gentechnisch veränderte Zutaten sind kennzeichnungspflichtig – für natürliche Bestandteile gilt das nicht.

Derzeit tendiert das EU-Parlament offenbar dazu, die Pollen entsprechend einem Vorschlag der EU-Kommission als natürliche Bestandteile zu werten. Das heißt: Demnächst könnten Verbraucher nicht mehr erkennen, ob der Honig, den sie kaufen, Genfood ist oder nicht.

Veränderter Mais könnte Bienen schaden

Dabei liegt der Ursprung für den Honig-Wirbel im Mais, genauer im Gen-Mais: Dessen Pollen könnten Bienen sammeln und sie so in den Honig transportieren. Derzeit wird zwar kein genetisch veränderter Mais in Deutschland angebaut. Doch eine Maissorte mit der Bezeichnung 1507, die dank ihrer neuen genetischen Eigenschaften besonders resistent gegen Insekten ist, steht in der EU kurz vor der Zulassung.

„Wir beobachten die Vorgänge sehr kritisch“, sagt Barbara Löwer vom Deutschen Imkerbund. „Wir wissen ja auch gar nicht, inwieweit unsere Bienen möglicherweise durch den Mais geschädigt werden.“ Zwar müssen Gen-Felder offiziell mindestens 500 Meter vom nächsten Bienenstock entfernt liegen, doch das sei viel zu wenig, sagt Löwer: „Honigbienen fliegen viel weiter.“

Neues Gütesiegel für gentechnikfreien Honig?

Deshalb habe man den Parlamentariern dringend nahe gelegt, sich gegen den Vorschlag der EU-Kommission zu entscheiden. „Wenn es allerdings dazu kommen sollte, dass Gen-Honig nicht mehr gekennzeichnet werden muss, haben wir noch was in der Pipeline“, so Löwer. Was genau das sei, wolle sie derzeit noch nicht sagen. Denkbar wäre aber möglicherweise ein eigenes Gütesiegel für Honig, der garantiert keine Gentechnik enthält.

Jutta Jaksche vom Bundesverband der Verbraucherzentralen hält eine klare Kennzeichnung von Genfood für unabdingbar. „Sonst spricht man den Verbrauchern ja das Recht ab, das zu kaufen, was sie wirklich wollen.“ Zumal gerade Honig als „Inbegriff von Natürlichkeit“ gelte. Hinter dem Vorschlag der EU-Kommission stecke wohl vor allem die Idee, einen größeren Markt zu schaffen und den Handel mit Ländern wie den USA zu vereinfachen: Dort wird Genmais bereits in großem Stil angebaut. „Aber die Menschen wollen keinen Riesen-Markt, sondern unbelastete Nahrung“, sagt Jaksche.

„Erfindungen können kein natürlicher Bestandteil sein“

Der Honig hat es gar auf die Tagesordnung im Deutschen Bundestag geschafft: Die Grünen hatten die Regierung per Antrag aufgefordert, sich in den Verhandlungen mit dem Europa-Parlament dafür einzusetzen, dass die Kennzeichnungspflicht für Gen-Honig beibehalten wird. Grünen-Politiker Harald Ebner warf den Parlamentariern vor, die Transparenzregelung, die seit 2004 die Kennzeichnung von Gen-Food vorschreibt, auszuhebeln. „Da wird der Verbraucherschutz als Handelshemmnis für die Freihandelsverhandlungen mit den USA aus dem Weg geschafft", so Ebner.

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Es sei absurd, gentechnische Inhaltsstoffe nicht als Zutat zu werten: „Solche Stoffe sind patentierte Erfindungen. Und Erfindungen mit einem Patent können kein natürlicher Bestandteil sein.“

„Wo Gentechnik drinsteht, muss es auch draufstehen“

Auch Linken-Politikerin Kirsten Tackmann wetterte gegen die Pläne der EU-Kommission: „Wo Agrogentechnik drin ist, muss es auch draufstehen", forderte sie. Kees de Vries von der CDU indes nannte die Forderung, Pollen als Zutat zu deklarieren, „überflüssig“.

Seine Partei sei nicht gegen die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Organismen in Lebensmitteln. Aber beim Honig werde "die Nachweisschwelle nicht überschritten." Die Kennzeichnungspflicht bezieht sich nur auf Lebensmittel, die gentechnisch veränderte Inhaltsstoffe von über 0,09 Prozent enthalten. Der Anteil im Honig liege indes bei 0,03 Prozent. Am Ende lehnten die Abgeordneten den Antrag der Grünen ab – mit deutlicher Mehrheit.