Essen. . Das Gen-Urteil für Honig des Europäischen Gerichtshofs irritiert Handel und Industrie. Imker rechnen mit höheren Preisen für deutsche Produkte. Bundesagraministerin Ilse Aigner droht Genpflanzen-Herstellern mit neuen Auflagen.

Industrie und Handel sind verunsichert, deutsche Imker freut das Honig-Urteil aus Straßburg. Sie müssen sich keine Sorgen um den Absatz ihres klebrigen Saftes machen. Deutscher Honig wird vielleicht sogar teurer, sagen Marktbeobachter.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs lässt keine Zweifel zu: Finden sich auch noch so kleine Spuren von gentechnisch veränderten Pollen im Honig, müssen die Hersteller das künftig auf die Verpackung schreiben, urteilten die Richter des EuGH. Ein Imker hatte das Land Bayern auf Schadenersatz verklagt, weil sich in seinem Honig Spuren von Genpflanzen fanden. Der Imker vernichtete daraufhin seine Ernte. In der Nähe seines Bienenstocks wurde gentechnisch veränderter Mais zu Versuchszwecken angebaut. Die Landesregierung hatte den Anbau genehmigt.

Weitreichende Folgen

Für Handel und Hersteller hat das EuGH-Urteil weitreichende Folgen. „Wir stehen in engem Kontakt mit unseren Lieferanten und den zuständigen Behörden. Nach Auswertung der rücklaufenden Informationen werden wir diese eingehend bewerten und die nötigen Schritte in die Wege leiten“, erklärte gestern etwa die Discounter-Kette Netto auf Anfrage dieser Zeitung.

Bei Rewe gibt man sich noch zurückhaltender und verweist lieber auf eine Stellungnahme des Verbraucherschutzministeriums. Man wolle sich zuerst mit den zuständigen Landesbehörden beraten und anschließend über ein weiteres Vorgehen mit den anderen EU-Staaten in Kontakt treten, heißt es dort sinngemäß. „Erst wenn die EU-Kommission über das weitere Vorgehen entschieden hat, wird sich zeigen, welche Auswirkungen die neue Rechtsprechung letztlich auf den nationalen und internationalen Honigmarkt haben kann“, so das Ministerium. Rewe, so erklärte ein Sprecher des Einzelhandelskonzerns, teile diese Einschätzung.

80 Prozent außerhalb Europas

Fakt ist: Bis zu 80 Prozent des in Deutschland verkauften Honigs wird außerhalb Europas produziert. Die EU-Staaten importieren vor allem aus Argentinien, Mexiko, Brasilien, Chile, Neuseeland und China. Gerade in südamerikanischen Ländern ist der Anbau von genmanipulierten Pflanzen sehr verbreitet. Das Verbrauchermagazin Öko-Test nahm in der Ausgabe Januar 2009 insgesamt 18 herkömmliche Honige und sechs Rapshonige unter die Lupe. „Fast die Hälfte der Honige enthalten Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen“, urteilte das Magazin damals. „Problematisch ist insbesondere Honig aus Südamerika, da dort jede Menge Gen-Soja wächst“, so Öko-Test weiter.

Der Honigverband hält dagegen. Man erwarte „nach einer ersten Einschätzung keine kurzfristigen Konsequenzen aus dem Urteil“. Und weiter: „In Einzelfällen können Polleneinträge von genveränderten Pflanzen nicht ausgeschlossen werden“, so der Hamburger Verband. Beim allergrößten Teil dieser Honige stammten die Pollen aber von in Europa als Lebensmittel zugelassenen Pflanzen. „Somit verfügt auch der betroffene Honig automatisch über eine ausreichende Zulassung und ist weiter verkehrsfähig.“

Keine Gen-Pflanzen in Deutschland

Deutsche Imker nehmen das EuGH-Urteil positiv auf. Denn mit Ausnahme kleiner Flächen in Ostdeutschland, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz werden zurzeit keine Gen-Pflanzen in Deutschland angebaut. Das werde jetzt noch schwieriger. „Wer Gentechnik-Anbau betreibt, wird sich künftig sorgfältig überlegen, ob er das noch machen sollte“, sagt Friedrich Wilhelm Brinkmann, Vorsitzender des Landesverbands Westfälischer und Lippischer Imker.

Werner Mühlen, Fachreferent bei der Landwirtschaftskammer NRW, schließt nicht aus, dass das EuGH-Urteil auch Auswirkungen auf den Preis haben wird: „Gut möglich, dass der deutsche Honig nun teurer wird.“