Kiew/Brüssel/Moskau/Washington/Berlin. Russland hat im UN-Sicherheitsrat mit seinem Veto einen westlichen Resolutionsentwurf zu dem Referendum auf der Krim verhindert. 13 der 15 Mitglieder des Gremiums stimmten am Samstag für einen Resolutionsentwurf der USA, in dem es hieß, dass das für Sonntag geplante Referendum über einen Beitritt der ukrainischen Halbinsel zu Russland “keine Gültigkeit“ habe. Russland stimmte dagegen, China enthielt sich.

Russland hat im UN-Sicherheitsrat per Veto eine Resolution gegen das prorussische Referendum auf der ukrainischen Halbinsel Krim verhindert. Moskaus Botschafter Witali Tschurkin stimmte am Samstag bei einer Sondersitzung des mächtigsten UN-Gremiums in New York wie erwartet gegen den von den USA vorgelegten Entwurf und blockierte ihn so trotz der Zustimmung von 13 der 15 Staaten. Mit Spannung wurde das Verhalten Chinas erwartet, das in den letzten Jahren zusammen mit Moskau mehrere Syrien-Resolutionen blockiert hatte. Dieses Mal enthielten sich die Chinesen, so dass die einzige Nein-Stimme aus Russland kam.

In der Resolution sollten alle Staaten aufgerufen werden, das für diesen Sonntag vorgesehene Referendum der ukrainischen Halbinsel Krim nicht anzuerkennen. In dem Entwurf wurde Russland nicht ausdrücklich genannt. Er betont aber die Unabhängigkeit und territoriale Unantastbarkeit der Ukraine. Es sollten "alle Handlungen unterlassen werden, die als Anerkennung interpretiert werden könnten". Eine Sanktionsdrohung war im Entwurf nicht enthalten.

Russlands UN-Botschafter: "Russland wird den Willen des Volkes anerkennen"

Tschurkin hatte zuvor nur von einer "internen Krise" der Ukraine gesprochen. Nationale Radikale hätten mit einem Putsch die Macht übernommen. Dem Sicherheitsrat sprach er ab, das Referendum als ungültig erklären zu können. "Das Referendum ist der Wille des Volkes und der Wille des Volkes muss respektiert werden. Russland wird den Willen des Volkes anerkennen."

US-Botschafterin Samantha Power sprach von einem "traurigen Moment". "Russland darf nach der UN-Charta ein Veto gegen diese Resolution einlegen. Es kann aber kein Veto gegen die Wahrheit einlegen." Russland verteidige überall das Prinzip der territorialen Unantastbarkeit - "es sei denn, Russland ist betroffen. Dann ist Moskau bereit, internationale Verträge zu brechen." Während UN und EU die Hand ausstreckten, seien russische Bewaffnete in der Ukraine. Dass Russland ganz allein gegen die Resolution stimmte, beweise, "dass für die Welt die Grenzen von Staaten mehr als nur Vorschläge sind".

Eine Resolution bedarf der Zustimmung von 9 der 15 Ratsmitglieder. Gleichzeitig darf aber keines der fünf ständigen Mitglieder - USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich - mit Nein stimmen. Deutschland, derzeit nicht im Rat, gehörte zu den etwa 40 Unterzeichnern des Entwurfs. Es war die siebte Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates in zwei Wochen zur Krim-Krise.

Zehntausende demonstrieren in Moskau gegen Krim-Politik Putins 

Mehrere zehntausend Menschen haben am Samstag in Moskau gegen die Einmischung Russlands in der Ukraine demonstriert. Rund 50.000 Demonstranten folgten nach Schätzungen von AFP-Reportern dem Aufruf einer Oppositionsgruppe zur der Kundgebung und trugen Spruchbänder mit Parolen wie "Lasst die Ukraine in Ruhe!" und "Nein zum Krieg!". Der Protestzug startete am Moskauer Puschkin-Platz und sammelte sich dann auf der Sacharow-Straße.

"Die Krim gehört zur Ukraine, selbst wenn die Mehrheit dort Russen sind. Sie müssen ihre Probleme mit dem Staat selbst lösen, Russland hat da nichts zu suchen", sagte eine ältere Demonstrantin. "Das ist ein Krieg, eine Besetzung, das ist für einen zivilisierten Staat nicht akzeptabel."

Tausende bekundeteten Unterstützung für Putins Politik

Zeitgleich demonstrierten mehrere tausend Menschen in der Nähe des Kreml und bekundeten ihre Unterstützung für die Politik von Staatschef Wladimir Putin. Zu der Gegenkundgebung hatten nationalistische Gruppierungen aufgerufen.

Russland hatte nach dem Umsturz in Kiew in den Konflikt im Nachbarland eingegriffen, offiziell aus "Verantwortung für das Leben seiner Landsleute". Inzwischen steht die mehrheitlich russischsprachige Halbinsel Krim am Schwarzen Meer faktisch unter der Kontrolle Moskaus.

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Die Bevölkerung der autonomen ukrainischen Teilrepublik soll in einem Referendum am Sonntag über eine mögliche Angliederung an Russland entscheiden. Der Westen wirft der Regierung in Moskau vor, mit einem völkerrechtswidrigen Volksentscheid die Annexion der Krim besiegeln zu wollen. Die USA und die EU verhängten erste Sanktionen und wollen diese demnächst verschärfen.

Ukraine wirft Russland nach Gewalt im Osten Provokation vor 

Die Ukraine hat nach Krawallen in Charkiw und Donezk mit drei Toten dem Nachbarland Russland Provokation vorgeworfen. Die Gewalt im Osten des Landes sei das Werk von "Kreml-Agenten", sagte der amtierende Präsident Alexander Turtschinow am Samstag vor dem Parlament in Kiew. Innenminister Arsen Awakow zufolge wurden am späten Freitagabend in Charkiw ein 20- und ein 31-jähriger Mann getötet. "Angeheuerte Provokateure aus einem Nachbarland betreiben professionelle Provokationen", sagte er.

Am Donnerstagabend war bereits in Donezk ein Demonstrant ums Leben gekommen. Die Regierung in Kiew fürchtet, dass Russland Gewalt gegen russisch-stämmige Bürger zum Anlass für eine Invasion im Osten nehmen könnte. Am Sonntag ist auf der ukrainischen Halbinsel Krim das umstrittene Referendum über einen Anschluss an Russland geplant.

Pro-russische und pro-ukrainische Gruppen schießen aufeinander

Pro-russische Demonstranten hätten sich in der Nähe des Büros einer ukrainischen Nationalisten-Organisation Auseinandersetzungen mit pro-ukrainischen Gruppen geliefert, sagte Innenminister Awakow. Beide Seiten hätten geschossen. Er warf Verbündeten des gestürzten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, der sich in Russland aufhält, vor, die Unruhen in der Ost-Ukraine zu finanzieren. "Extremistische russische Kräfte" leisteten Unterstützung. Die Polizei habe rund 30 Menschen festgenommen. Auch der Gouverneur von Charkiw, Ihor Baluta, sagte, der Vorfall aus der Nacht sei "eine gut geplante Provokation pro-russischer Aktivisten" gewesen.

Auch in Donezk war es zu Krawallen zwischen pro-russischen und pro-ukrainischen Gruppen gekommen. Den dabei getöteten Demonstranten identifizierten die Behörden als einen Anhänger einer ukrainischen Nationalistenpartei. In Donezk wie auch auf der Krim ist die russisch-stämmige Bevölkerung in der Mehrheit.

Innenminister Awakow rief per Facebook die Bevölkerung auf, sich nicht provozieren zu lassen. "Lasst euch nicht manipulieren! Beendet diese Hysterie. Das ist kein Spiel mit Spielzeugsoldaten - das ist ein wirklicher Konflikt, es geht um das wirkliche Leben der Menschen.

Europarat-Rechtsexperten halten Krim-Referendum für illegal 

Das Referendum auf der Krim über einen Anschluss an Russland ist nach Einschätzung von Verfassungsrechtsexperten des Europarats illegal. Nach dpa-Informationen kommt die "Venedig-Kommission" der Organisation zu dem Schluss, dass weder die Verfassung der Ukraine noch die Verfassung der Region Krim eine Volksabstimmung über eine Sezession zulassen. Zudem entsprächen die Umstände der Abstimmung nicht demokratischen Standards.

Der 1949 gegründete Europarat soll die Demokratie auf dem Kontinent stärken sowie die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit schützen. Zu den Zielen der 47 Mitglieder - darunter auch Russland und die Ukraine - gehört, das Zusammenwachsen der Völker in Europa zu fördern und damit den Frieden zu sichern.

Der Europaratsvorsitzende und österreichische Außenminister Sebastian Kurz erklärte: "Ja, es gibt dieses Urteil." Für direkte Demokratie brauche es "rechtsstaatliche und demokratische Rahmenbedingungen", sagte Kurz. "Im Fall des Referendums auf der Krim ist das in einem ganz offensichtlichen Ausmaß nicht gegeben." Die "Venedig-Kommission" soll ihr Rechtsurteil der Vollversammlung am 21. und 22. März vorlegen.

Europarat will Lage der Minderheiten in der Ukraine überprüfen

Das Ministerkomitee des Europarats stellte sich am Freitag im Krim-Konflikt hinter die Ukraine und mahnte eine friedliche Lösung an. Es äußerte große Sorge wegen des Referendums. Der Europarat will Experten in die Ukraine schicken, um die Lage der Minderheiten zu überprüfen. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit Vertretern des ukrainischen Parlaments und des Kiewer Justizministeriums soll zudem eine Justiz- und Legislativreform für die Ukraine voranbringen.

Europarat-Generalsekretär Thorbjørn Jagland nannte den "Schutz der Rechte aller Minderheiten unabdingbar für die Einheit, Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit der Ukraine". Jagland und Kurz hatten Kiew am 9. und 10. März Hilfe bei einer Reform des Rechtsstaats und der Aufklärung der Gewalttaten um den 20. Februar angeboten.

Die nach dem Fall der Berliner Mauer eingesetzte Venedig-Kommission berät die Staaten Europas in Verfassungsfragen. Sie hält das Krim-Referendum aus mehreren Gründen für nicht rechtskonform. Es widerspreche der Verfassung der Ukraine, die der Krim-Verfassung übergeordnet sei und nicht zulasse, dass Landesteile über eine Sezession abstimmten. Ein Referendum, das die Landesgrenzen ändere, sei nur in der gesamten Ukraine möglich.

Die Krim-Abstimmung widerspreche aber auch der Verfassung der Krim selbst, die die Rechte der autonomen Teilrepublik klar in den Rahmen der Grenzen der ukrainischen Verfassung stelle. Zwar sei eine Befragung der Bürger zur Rückkehr zur Verfassung von 1992 möglich, aber kein bindender Volksentscheid darüber. Zudem seien die Bedingungen für eine demokratische Abstimmung angesichts der massiven Präsenz paramilitärischer Kräfte und der kurzen Vorbereitungszeit von zehn Tagen nicht gegeben. Außerdem hätte es vor dem Referendum ernsthaften Verhandlungen der Betroffenen" geben müssen.

Hofreiter fordert Waffenembergo gegen Russland

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat ein Waffenembargo der EU gegen Russland gefordert. Angesichts der Krise um die Halbinsel Krim könne es nicht sein, "dass die EU weiter Waffen liefert", sagte Hofreiter am Samstag auf der Landesdelegiertenversammlung des Grünen-Verbands Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin. Die EU dürfe den Völkerrechtsbruch durch die Einmischung Russlands auf der ukrainischen Krim-Halbinsel nicht hinnehmen. Der Konflikt müsse auf alle Fälle friedlich gelöst werden.

Die Krim-Krise zeige auch, wie wichtig es sei, die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien zügig voranzutreiben, sagte Hofreiter weiter. Dadurch könne sich die EU schneller unabhängig machen vom Import fossiler Brennstoffe aus Ländern wie Russland. (afp/dpa/rtr)