Athen. . Deutlich wie keiner seiner Vorgänger hat Bundespräsident Joachim Gauck bei seinem Staatsbesuch in Griechenland um Vergebung für deutsche Kriegsverbrechen gebeten. Er legte einen Kranz an dem Mahnmal nieder, das an ein Massaker der deutschen Wehrmacht am 3. Oktober 1943 erinnert.
Die deutschen Soldaten kamen an einem Sonntagnachmittag, sie umstellten das nordgriechische Bergdorf Lingiades und trieben die Bewohner aus den Häusern. Erst erschossen sie die Männer, dann Frauen und Kinder, schließlich brannten sie das Dorf nieder.
Die „schonungslose Vergeltungsaktion“ am 3. Oktober 1943 sollte den Tod eines deutschen Offiziers rächen, den Partisanen in einen Hinterhalt gelockt hatten. Das Massaker überlebten nur fünf Menschen, 83 wurden ermordet.
Joachim Gauck guckt starr in die Ferne, als die Namen der Opfer am Mahnmal von Lingiades verlesen werden, vier lange Minuten dauert das. Der Präsident ist am letzten Tag seines Staatsbesuchs eigens in die Bergregion Epirus geflogen, um der Opfer deutscher Gewalt im Zweiten Weltkrieg zu gedenken – erst in Lingiades, später in der jüdischen Gemeinde Ioannina.
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Das lange Schweigen
Gauck legt einen Kranz nieder, hält im eisigen Wind eine kurze, bewegende Rede: „Mit Scham und Schmerz bitte ich im Namen Deutschlands die Familien der Ermordeten um Verzeihung.“ Brutales Unrecht sei exekutiert von deutschen Soldaten im besetzten Griechenland. Gauck ringt um Fassung, er sagt: „Ich verneige mich vor den Opfern der ungeheuren Verbrechen.“
Nicht nur seine Entschuldigung ist ungewöhnlich klar, er kritisiert auch scharf das lange deutsche Schweigen: Es sei beschämend, dass die Bundesrepublik die Opfer aus der Erinnerung verbannt habe. Keiner der Verantwortlichen für das Massaker hat je eine Strafe verbüßt.
Nicht weit von Gauck steht der griechische Präsident Karolos Papoulias. Der 84-Jährige hat selbst in der Region als Partisan gegen die Deutschen gekämpft; später kämpfte er von Deutschland aus gegen die Militärdiktatur in Griechenland. Gauck sagt, es sei ein großes Geschenk, dass ihn Papoulias hierher begleite, aber der bleibt kühl.
Als Gauck ihn umarmt, erwidert Papoulias die Geste nur knapp. Der griechische Präsident erwartet mehr von Deutschland als eine Entschuldigung, am Vorabend hat er bei einem Staatsbankett die Forderung nach Reparationszahlungen in ungewöhnlicher, unhöflicher Form bekräftigt und sein Unverständnis über die deutsche Gesprächsverweigerung geäußert: Das werfe „einen Schatten auf die Beziehungen“.
Demonstration für Wiedergutmachung
Auch Opferverbände machen Druck, in Lingiades demonstriert ein Grüppchen alter Männer für Wiedergutmachung. Einer der wenigen Überlebenden des Massakers ist dabei, Panagiotis Babouskas hatte sich damals unter seiner toten Mutter versteckt, die Soldaten hielten auch ihn für tot. Eine Entschuldigung genüge nicht, sagt er heute, „das sind nur Worte“.
Gauck trifft sich spontan mit den Opfervertretern, ihm geht die Sache sichtlich zu Herzen. Aber Berlin hält alle Reparationsfragen für endgültig geklärt, Gauck will und kann davon nicht abweichen. Für die Griechen hat er eine andere Botschaft: Noch in diesem Jahr werde es einen deutsch-griechischen Zukunftsfonds geben, der Geld bereitstellen soll für die Aufarbeitung der gemeinsamen Vergangenheit – unter anderem für die Erforschung des griechischen Widerstands.