Kiew. . Kiew und Moskau sind weiter auf einem gefährlichen Konfrontationskurs um die Halbinsel Krim. Das ukrainische Parlament forderte den Nachbarn Russland in einem scharfen Appell auf, alle Handlungen zu unterlassen, die die territoriale Einheit des Landes gefährdeten. Unbekannte Soldaten besetzten derweil strategische Punkte auf der Krim.

Er und das ukrainische Volk seien zynisch betrogen worden, von den Oppositionsführern und den westlichen Außenministern, die vermitteln sollten. „Als Ergebnis wurde Kiew von Bewaffneten überschwemmt, die anfingen Häuser und Kirchen zu verwüsten.“ Viktor Janukowitsch, abgesetzter und nach Russland geflohener Präsident der Ukraine, gab gestern in Rostow am Don eine Pressekonferenz. Er werde den Kampf um die Zukunft der Ukraine fortsetzen, russische Militärhilfe lehnte er ab, aber Russland müsse etwas unternehmen. Dass russische Truppen auf der Krim schon strategische Objekte besetzt hätten, nein, davon wisse er nichts.

Tatsächlich bewachten gestern Dutzende unbekannte Soldaten die Flughäfen von Simferopol und Sewastopol. Außerdem sollen fremde Truppen den Stab der ukrainischen Flotte in Sewastopol und den Grenzposten Balaklawa blockiert haben. Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow twitterte, es handele sich um russische Militärs. „Das ist bewaffnetes Eindringen und Okkupation.“ Das ukrainische Parlament forderte, eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates einzuberufen.

Waffen ohne Patronen

Ein Sprecher der in Sewastopol stationierten russischen Schwarzmeerflotte dementierte aber, dass es sich um russische Soldaten handelte. Dmitri Polonski von der prorussischen Partei „Russische Einheit“ sagte, es handele sich um „Volkswehrpatrouillen“. Der Moskauer Militärexperte Viktor Litowkin erklärte, die Soldaten seien wie reguläre Truppen ausgerüstet. Es könne sich um russische aber genauso um weißrussische oder ukrainische Kämpfer handeln. „Auf den Fotos sieht man automatische Waffen mit Zielfernrohren. Aber ohne eingerastete Patronenmagazine. Sie haben also nicht vor, zu schießen.“ Ihre Hauptaufgabe sei wohl, Anwesenheit zu demonstrieren.

Ebenso demonstrativ reichten russische Duma-Abgeordnete der Partei „Gerechtes Russland“ gestern einen Gesetzentwurf ein, der es erleichtert, neue Regionen ins russische Staatsgebiet aufzunehmen. Ein weiterer Entwurf soll die Ausgabe russischer Pässe an ukrainische Bürger erleichtern. Gleichzeitig beteuerte der kremlnahe Politologe Alexei Muchin, Russland werde alle internationalen Verträge und Normen einhalten. 1994 hat sich Russland wie die anderen Atommächte bereit erklärt, die territoriale Souveränität der Ukraine zu garantieren, die ihrerseits auf ihre Kernwaffen verzichtete.

Widersprüchliches aus Moskau

Am Morgen hatte ein Sprecher des russischen Präsidenten Putin verkündet, man werde die wirtschaftlichen Kontakte zu den „ukrainischen Partnern“ fortführen. Einen noch Janukowitsch gewährten Kredit über 15 Milliarden Dollar hat Moskau eingefroren.

Viele Beobachter in Moskau und Kiew glauben, Russland fahre künftig eine doppelte Politik gegenüber der Ukraine. Offiziell werde man korrekte Kooperation veranstalten, dabei aber mit allen Mitteln versuchen, den Maidan-Revolutionären in Kiew ihren Sieg zu verderben.

Anschluss an Russland?

„Der Kreml wird öffentlich versichern, er respektiere die territoriale Unantastbarkeit der Ukraine“, sagt der Politologe Alexander Morosow. „Gleichzeitig wird der Druck auf die Krim weitergehen, Duma-Abgeordnete in Massen auf der Krim landen und Freiwilligenverbände aufgestellt werden.“ Kiew solle seinen Einfluss auf die schon jetzt autonome Krim möglichst verlieren. Oder wie Janukowitsch gestern sagte: „Das ist die natürliche Reaktion auf den Putsch der Banditen in Kiew. Die Menschen auf der Krim gehorchen den Nationalisten nicht, bilden Volkswehren, um ihre Häuser zu Familien zu beschützen.“ Aber natürlich müsse die Krim im ukrainischen Staat verbleiben.

Politologe Morosow dagegen glaubt, Moskau habe noch ganz andere Pläne in der Schublade. Je nachdem, welchen Widerstand vor allem die internationale Gemeinschaft leiste, sei sogar ein „Anschluss“ an Russland möglich, so wie 1936 der Österreichs an Hitlerdeutschland. „Die patriotische Begeisterung in Russland wird riesig sein.“ Wladimir Putins politische Herrschaft sei dann für 20 Jahre gesichert.