Washington. . “No spy“ gibt's nicht - Dennoch verstehen sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Amtskollege John Kerry gut. Die Amerikaner loben vor allem die neue deutsche Gestaltungslust auf internationalem Parkett. Außenminister Westerwelle weinen sie offenbar keine Träne nach.
Wer in Amerika in Reden seine Kinder in den Mittelpunkt der Politik stellt, hat meist gute Karten. Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier war darum am Freitag Beifall gewiss, als er in der Washingtoner Denkfabrik Brookings für die durch die NSA-Affäre strapazierten transatlantischen Beziehungen eine Verjüngungskur forderte. Und sich dabei ausdrücklich auf seine 17-jährige Tochter bezog. Wie sie, so fragten sich viele jüngere Menschen, warum sie der nach dem Krieg gewachsenen ideellen Brücke zwischen Europa und den Vereinigten Staaten heute noch Aufmerksamkeit schenken sollte. Steinmeiers These: Nur wenn den drängenden Fragen der jungen Generation auch und gerade an die digitale Welt Rechnung getragen wird, kann die Fackel weiter getragen werden. „Wie sieht mein Job aus in einer komplett verbundenen Welt? Wie werde ich die Kontrolle behalten, wenn vieles, von dem, was ich tue und bin online stattfindet?“
Steinmeier gab nicht vor, die Antworten zu wissen. Aber er skizzierte den Rahmen. Ohne aussichtslose Forderungen nach einem Verzichtsabkommen auf Spionage im Gefolge der NSA-Affäre zur Sprache zu bringen. Aber auch ohne zu vergessen, Klartext zu reden. Nicht die politischen Turbulenzen aus den Veröffentlichungen der von Edward Snowden enthüllten Praktiken der NSA seien das Problem, sagte der SPD-Politiker, „sondern die Praktiken selbst“.
Ein „Cyber-Dialog“ soll nun Annäherung in der Frage bringen, wie das Internet reguliert, die Privatsphäre der Menschen in Amerika und Europa beschützt, die Sicherheit gewährleistet und das Potenzial der „vierten industriellen Revolution“ genutzt werden kann; ein Themenspektrum - Siehe oben - für die jüngere Generation. Das Gesprächsforum soll nicht nur Regierungsvertreter und Geheimdienstexperten umfassen. Wissenschaftler und Fachleute aus der Zivilgesellschaft sollen in der Gesprächsrunde ebenso zu Wort kommen.
Kerry: „Die Welt ist voll von Menschen, die Böses im Sinne haben“
Sein amerikanischer Amtskollege John Kerry begrüßte den Ansatz, deutete allerdings an, dass sich Amerika all zu viele Zugeständnisse kaum abringen lassen wird. Die Welt sei voll von Menschen, die Böses im Sinne hätten, sagte Kerry, und bezog sich dabei auf eine Vielzahl von Islamisten, die nach ihrer Rückkehr aus Syrien nach Europa und Amerika eine große Bedrohung darstellten.
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Kerry bescheinigte seinem Amtskollegen mehrfach, dass Washington die neue deutsche Gestaltungslust auf internationalem Parkett erfreulich findet. „Frank-Walter, du sagtest neulich, dass Deutschland einfach zu groß ist, um Weltereignisse von der Seitenlinie aus zu kommentieren, und ich möchte, dass du weißt, dass wir dir völlig zustimmen.“ Was im Unterton danach klang, als sei man in Washington über das Ende der Ära Westerwelle heilfroh. Seinerzeit dominierte aus US-Sicht auf deutscher Seite zu sehr das betroffene Wort.
Wirkte der FDP-Politiker 2009 während seines Antrittsbesuchs bei Hillary Clinton „wie ein aufgeregter Konfirmand neben der Hohepriesterin“, wie damals ein US-Journalist sagte, knüpfte Steinmeier in Gestus und Aussage an die Zeiten vor Schwarz-Gelb an, als er selbst bereits einmal den Chefposten im Auswärtigen Amt versah. Amerikanischen Medien blieb nicht verborgen, wie selbstbewusst Steinmeier den deutschen und damit seinen eigenen Beitrag etwa in der Krise um die Ukraine zur Sprache brachte. Mit der Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, erörterte Steinmeier gestern Wege und Verfahren, wie die finanziell klamme Ukraine vor dem Bankrott bewahrt werden könnte. „Wer hätte das gedacht - die deutsche Diplomatie ist zurück“, schrieb ein Blogger auf der Internetseite „Daily Beast“.