Ankara. . Der türkische Ministerpräsident ist direkter Vorgesetzter des Geheimdienst MIT - und hat nun dessen Befugnisse deutlich ausgeweitet: Die Agenten können künftig ohne richterlichen Beschluss tätig werden, Telefone abhören. Die Mitarbeiter sind vor Strafverfolgung geschützt.
Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan will die Befugnisse des Geheimdienstes MIT erheblich ausweiten. Hintergrund sind offenbar die schweren Korruptionsvorwürfe gegen Regierungsmitglieder und regierungsnahe Geschäftsleute, die Erdogan bereits Ende Dezember zu einer umfangreichen Kabinettsumbildung zwangen.
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Nachdem der Premier in den vergangenen Wochen tausende Polizeioffiziere und Dutzende Staatsanwälte, die mit den Korruptionsermittlungen befasst waren, versetzen ließ, will er nun dem Geheimdienst zu mehr Schlagkraft verhelfen. Der MIT ist direkt dem Ministerpräsidenten unterstellt.
Ein Gesetzentwurf der islamisch-konservativen Regierungspartei sieht vor, dass der Geheimdienst ohne richterlichen Beschluss Telefongespräche abhören und auch im Ausland tätig werden kann. Die Mitarbeiter des Dienstes werden weitgehend vor Strafverfolgung geschützt. Gegen den Chef des Geheimdienstes kann nur mit Einwilligung des Ministerpräsidenten ermittelt werden.
Sorge vor dem „Geheimdienststaat“
Das geplante Gesetz, das im Eilverfahren bis Ende dieses Monats verabschiedet werden soll, verschärft auch die Strafen für die Veröffentlichung vertraulicher oder geheimer Dokumente – eine Reaktion auf die Korruptionsenthüllungen der vergangenen Wochen.
Wirtschaftsunternehmen und Behörden werden dadurch verpflichtet, dem Geheimdienst bei Verlangen Daten aller Art und technische Ausrüstung zu übergeben. Eines Gerichtsbeschlusses bedarf es dazu nicht. Damit müssen künftig auch ausländische Investoren in der Türkei damit rechnen, dass der Geheimdienst jederzeit Zugang zu ihren Geschäftsinterna verlangen kann.
Die oppositionsnahe Zeitung „Taraf“ kommentierte, mit dem neuen Gesetz werde die Türkei in einen „Geheimdienststaat“ verwandelt. Der Gesetzentwurf soll an diesem Samstag vom zuständigen Ausschuss beraten und in der kommenden Woche dem Plenum zur Abstimmung vorgelegt werden.
Mit den Stimmen der Regierungsfraktion hatte das Parlament diesen Monat bereits gegen heftige Proteste der Opposition und ungeachtet scharfer Kritik der EU und der USA neue Vorschriften zur Zensur des Internets sowie ein Gesetz verabschiedet, das der Regierung weitgehende Kontrolle über die Berufung von Richtern und Staatsanwälten gibt.