Istanbul. Vorwurf der Beleidigung und Hetze: Der islamische Prediger Fethullah Gülen verklagt den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Dieser soll Schmerzensgeld zahlen, weil er Gülen mit aggressiven Formulierungen für die Korruptionsvorwürfe verantwortlich gemacht hat.

Der islamische Prediger Fethullah Gülen hat den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan wegen Beleidigung und Hetze verklagt. Gülen verlange 100.000 Lira (umgerechnet rund 30.000 Euro) Schmerzensgeld von Erdogan, erklärte Gülens Anwalt Nurullah Albayrak laut Presseberichten vom Dienstag. Zur Begründung hieß es, Erdogan habe Gülen in hetzerischer Weise angegriffen. Die Klage gegen den Ministerpräsidenten wurde während Erdogans Besuch in Berlin bekannt.

Erdogan macht Gülen und dessen Anhänger für die Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung verantwortlich, die seit einem Monat die Türkei erschüttern. Gülens Bewegung, die in der Türkei über großen Einfluss verfügt, weist die Anschuldigungen zurück und wirft Erdogan autoritäre Tendenzen vor.

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Erbitterte Feinde seit vergangenem Jahr

Der 72-jährige Gülen lebt seit 1999 in den USA. Seine Bewegung Hizmet (Dienst) unterstützte Erdogans islamisch-konservative Regierung über Jahre, insbesondere beim Kampf gegen den politischen Einfluss des Militärs. Im vergangenen Jahr überwarf sich Gülen jedoch mit Erdogan. Seitdem sind die Hizmet-Bewegung und die Anhänger Erdogans erbitterte Feinde.

Erdogan wirft Hizmet vor, einen Staat im Staate gebildet zu haben und damit die Demokratie anzugreifen. Hizmet kritisiert dagegen, Erdogan wolle die Korruptionsaffäre benutzen, um die Justiz unter die Kontrolle der Regierung zu stellen.

Verfassungsschutz warnt vor Gülen-Bewegung

Gülen selbst ist aber ebenfalls umstritten. Der Verfassungsschutz warnt nach Informationen der ARD und des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" vor der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen. Die Sendung "Report Mainz" zitierte aus einem internen Papier des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, in dem Gülen vorgeworfen wird, dass sein Gedankengut in mancherlei Hinsicht im Widerspruch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung stehe. Die Bewegung verfolge einen türkischen Nationalismus in "seriösem Gewand" mit "islamistischen Komponenten". Gülen selbst strebe einen Gottesstaat an.

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Anhänger des in den USA lebenden Imams sind in 140 Ländern aktiv. Alleine in Deutschland betreiben sie etwa 300 Bildungseinrichtungen - zum Teil mit staatlicher Unterstützung. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg kritisiert dem Bericht zufolge nun, dass Äußerungen Gülens mitunter nicht mit dem Prinzip der Gewaltenteilung, der Religionsfreiheit, der Freiheit von Wissenschaft und Lehre und der Gleichberechtigung von Mann und Frau in Einklang zu bringen seien.

Vorwürfe auch gegen Bildungseinrichtungen

"Report Mainz" und "Der Spiegel" berichten auch über Vorwürfe gegen mehrere Bildungseinrichtungen, die der Gülen-Bewegung zugerechnet werden. Eltern in Rüsselsheim gaben an, ihr dreijähriges Kind sei während der Kinderbetreuung bei einem Integrationskurs geschlagen worden. Laut einer Sprecherin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe eine Erzieherin des Vereins eingeräumt, dem Kind einen "leichten Klaps" gegeben zu haben. Das BAMF habe zudem festgestellt, dass ein Kind während der Kinderbetreuung in seinem Buggy "festgeschnallt" gewesen sei. Der Gülen-nahe Förderkreis Rhein-Main darf dem Bericht zufolge keine Integrationskurse mehr anbieten.

Auch gegen eine private Schule in Ludwigsburg werden laut den Recherchen Vorwürfe erhoben. Eine Mutter berichtete, ihre Tochter sei an der Schule dazu gedrängt worden, Kopftuch zu tragen. Mehrere Zeugen berichten zudem von systematischem Mobbing und Gewalt gegenüber Schülern, die nicht zur Gülen-Bewegung gehörten. Außerdem würden die Bildungseinrichtungen dazu genutzt, Kinder als neue Anhänger und Funktionäre der sektenähnlichen Gemeinschaft zu rekrutieren. (afp)