Berlin. . Eltern können den Kontakt zu ihren volljährigen Kindern abbrechen, ohne deshalb im Alter Unterhaltsansprüche gegen sie zu verlieren. Solch ein einseitiger Kontaktabbruch allein führt noch nicht zum Verlust des Elternunterhalts, urteilte der Bundesgerichtshof. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Kinder sind auch dann bei der Pflege ihrer Eltern unterhaltspflichtig, wenn diese sich von ihnen abgewandt oder sich jahrzehntelang gar nicht um ihren Nachwuchs gekümmert haben. Der Bundesgerichtshof (BGH) gab in seinem Ur­teil Sozialämtern recht. Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten zum Elternunterhalt:

In welchen Fällen müssen Kinder ihre Eltern finanziell unterstützen?

Grundsätzlich sind Kinder als die nächsten Verwandten unterhaltspflichtig, wenn die Eltern im Alter bedürftig werden. Dann erhalten Vater oder Mutter allerdings zunächst Leistungen aus der Grundsicherung. Das trägt der Steuerzahler, sofern das Jahreseinkommen des Kindes unter 100.000 Euro liegt. Erst wenn über die Grundsicherung hinaus ein Bedarf entsteht, zum Beispiel durch Pflegebedürftigkeit, nehmen die Sozialämter die Kinder mit in die Pflicht.

Um welche Summen geht es dabei?

Das hängt vom Einzelfall ab. In dem jetzt vom BGH entschiedenen Verfahren ging es um gut 9000 Euro, die Bremen von einem Sohn verlangte, der seit 27 Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Vater hatte und diesen Betrag jetzt wohl bezahlen muss. So hohe Beträge können entstehen, weil die Leistungen der Pflegeversicherungen bei Weitem nicht für eine volle Pflege im Heim ausreichen und die Differenz zunächst von den Ämtern übernommen wird.

Warum haben Väter und Mütter selbst dann ein Recht auf Unterhalt, wenn sie den Kontakt zu ihren Kindern abgebrochen haben?

Im vorliegenden Fall hat sich der Vater in den ersten 18 Jahren um sein Kind gekümmert und damit eine elterliche Fürsorge gezeigt, begründen die Richter ihr Urteil. Dass er danach den Kontakt zu seinem Sohn dauerhaft abbrach, ist für die Richter kein Grund, den Sohn aus der Pflicht zu Beistand und Rücksicht gegenüber seinem Vater zu entlassen.

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Gibt es Ausnahmen von dieser Un­terhaltspflicht?

Wenn eine schwere Verfehlung des Elternteils vorliegt, verringert sich die Unterhaltspflicht. In welchem Umfang, beziffert der BGH nicht. Der Beitrag müsse nur in einer Höhe geleistet werden, „die der Billigkeit entspricht“. Gleiches gilt, wenn der Elternteil durch eigenes sittliches Verschulden die Bedürftigkeit selbst herbeigeführt hat. Wenn es einem Kind gar nicht zumutbar ist, kann der Anspruch auch ganz erlöschen, etwa bei Misshandlungen des Kindes. Das Gericht formuliert die Passage nur allgemein. Es hängt also auch hier vom Einzelfall ab.

Wie wird der Unterhaltsanspruch be­rechnet?

Zunächst wendet sich das Sozialamt an den Sohn oder die Tochter. Sie müssen dann Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögenslage geben. Vom Einkommen werden Ausgaben für die eigene Altersvorsorge abgezogen. Auch Finanzierungsraten für ein Darlehen werden angerechnet. Schließlich geht auch noch der Aufwand für die eigene Lebenshaltung in die Berechnung ein, wie folgendes Beispiel des Deutschen Anwaltsvereins zeigt: Ein Single verdient 2200 Euro netto. 150 Euro zieht das Amt für den Rentenvertrag ab, den er abgeschlossen hat, 50 Euro für die Monatskarte und 100 Euro für den Ratenkredit. Anrechenbar bleiben damit 1900 Euro. Davon gehen 1600 Euro als Selbstbehalt ab. Die verbleibenden 300 Euro dürfen nur zur Hälfte für den Unterhalt beansprucht werden. Es bleibt damit eine monatliche Unterhaltspflicht von 150 Euro. Bei einer Familie mit zwei Kindern ist der Selbstbehalt entsprechend höher.

Müssen auch Schmuck oder Immobilien verkauft werden?

Vermögenswerte werden auch zur Finanzierung des Unterhalts herangezogen. Hier haben die obersten Richter aber vergleichsweise hohe Schonvermögen bestätigt. Für die eigene Altersvorsorge werden 100.000 Euro als unangreifbare Rücklage angesehen. Dabei ist es egal, ob es sich bei den Werten um Schmuck, Aktien oder etwas anderes handelt. Eine selbst genutzte Immobilie muss nicht veräußert werden. Das Amt berechnet aber den Wohnwert und schlägt diesen dem Einkommen zu. Die Finanzierungskosten für das Eigenheim werden wieder abgerechnet.