Essen. Eine hohe US-Diplomatin hat ihre Partner in der Europäischen Union brüskiert. “Fuck the EU“ hat sie in einem vertraulichen Gespräch gesagt. Es gibt zwei gute Gründe, warum wir uns jetzt nicht aufregen sollten. Ein Kommentar

Die Europa-Beauftragte des US-Außenministeriums hält wenig von Europa. Das wissen jetzt alle, denn ein offenbar authentischer Mitschnitt eines vertraulichen Telefonats von Victoria Nuland mit dem US-Botschafter in Kiew ist öffentlich geworden. "Fuck the EU" sagte Nuland demnach, "Scheiß auf die EU."

Man könnte sich jetzt aufregen. Doch die EU und wir Europäer tun gut daran, die Sache auf sich beruhen zu lassen - aus zwei Gründen.

Staaten müssen Geheimnisse haben

Erstens: Dass das vertrauliche Gespräch zwischen Nuland und ihrem Botschafter öffentlich geworden ist, ist kein Segen, sondern ein Unding. Allgemein wird vermutet, dass die Finsterlinge vom russischen Geheimdienst hinter der Indiskretion stecken. Das spricht für sich.

Aber selbst wenn es anders wäre und eine freie Plattform à la Wikileaks das Telefonat veröffentlicht hätte: Auch dann müsste man den USA und allen anderen Staaten zugestehen, dass sie Geheimnisse haben dürfen. Denn so berechtigt es ist, dass wir von unseren Behörden Transparenz im Umgang mit uns, den Bürgern fordern: Wenn Politiker und Diplomaten in einer so brisanten Krise wie der ukrainischen nicht mehr Tacheles miteinander reden können, wie sollen sie so eine Krise dann bewältigen?

Frau Nuland hat Recht

Und zweitens: Frau Nuland hat Recht. Man muss die EU zwar nicht gleich verfluchen. Aber die Einschätzung, dass man von ihr in der ukrainischen Krise nicht viel zu erwarten hat, ist berechtigt. Erinnern wir uns: Der Streit um ein Assoziierungsabkommen der Ukrtaine mit der EU war der Auslöser dieser Krise. Dadurch kann die EU, die diesen Vertrag unbedingt abschließen wollte, in dieser Krise nicht als Vermittler auftreten. Sie ist Gegenstand des Streites, und sie ist Partei.

Zugleich kann sich die Europäische Union aber offensichtlich nicht mit Haut und Haaren auf die Seite der ukrainischen Opposition schlagen und die Sache mit ihr durchkämpfen bis zum Sieg - denn dazu fehlen ihr die Kraft, die Zuversicht und die Machtmittel gegen Russland, der Schutzmacht des ukrainischen Präsidenten.

Die EU droht sich zu verrennen

Fuck the EU. Es gibt viele gute Gründe, sich über die Vereinigten Staaten aufzuregen. Die Worte von Frau Nuland sind keiner. Für die EU sollten sie ein Warnung sein, denn sie droht sich zu verrennen in der ukrainischen Angelegenheit. Wir könnten es noch erleben, dass "Fuck the EU" zum geflügelten Wort auf dem Maidan wird - und wir uns von der Ukraine auf längere Zeit verabschieden müssen.