Kiew. Mehr als 60.000 Menschen demonstrieren auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew gegen die Regierung. Erstmals fordert die Opposition auch konkrete Unterstützung aus dem Ausland. Oppositionsführer Vitali Klitschko hatte sich bei der Sicherheitskonferenz in München den Rücken stärken lassen.
Im Machtkampf mit Präsident Viktor Janukowitsch hat die ukrainische Opposition eine konkrete Unterstützung des Westen eingefordert. Die Regierungsgegner verlangten am Sonntag erstmals finanzielle Hilfen aus dem Ausland. In Kiew versammelten sich erneut zehntausende Demonstranten, um gegen die Staatsführung zu protestieren. Am Samstag hatten die USA und die EU der Opposition bei der Münchner Sicherheitskonferenz den Rücken gestärkt.
Auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew kamen am Sonntag erneut mehr als 60.000 Demonstranten zusammen. Die Oppositionsführer Vitali Klitschko und Arsenij Jazenjuk, die am Vortag an der Sicherheitskonferenz teilgenommen hatten, wurden von der Menge mit Jubel empfangen. "Wir haben mit unseren westlichen Partnern gesprochen und ihnen gesagt, dass wir finanzielle Hilfen brauchen", sagte Jazenjuk. "Sie sind dazu bereit." Das Geld solle aber ausschließlich dem "ukrainischen Volk" und nicht dem "Regime Janukowitschs" zugute kommen.
Klitschko habe in München um internationale Vermittlung gebeten
Klitschko sagte, er habe in München um eine internationale Vermittlung bei den Verhandlungen mit Janukowitsch gebeten. In seiner Ansprache wies er das vom Parlament verabschiedete Amnestiegesetz zurück. Es sei nicht akzeptabel, weil es die Freilassung von festgenommenen Oppositionellen von der Räumung der besetzten Verwaltungsgebäude abhängig mache. Er forderte eine bedingungslose Freilassung der Demonstranten.
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Der frühere Innenminister Juri Luzenko von der oppositionellen Vaterlandspartei der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko forderte die Demonstranten zur Bildung von Bürgerwehren im ganzen Land auf. Diese seien "die beste Absicherung gegen ein Blutbad". Jazenjuk hatte die Armee am Samstag aufgefordert, sich nicht in den Konflikt einzuschalten. Ein ranghoher Vertreter der Vaterlandspartei warf den Behörden vor, die Ausrufung des Ausnahmezustands vorzubereiten.
Sicherheitskonferenz wurde vom Thema Ukraine beherrscht
Die Münchner Sicherheitskonferenz war von der Sorge um die Lage in der Ukraine beherrscht worden. US-Außenminister Kerry sicherte den Demonstranten die Unterstützung Washingtons zu. Nirgendwo sei "der Kampf für eine demokratische und europäische Zukunft so wichtig wie in der Ukraine". Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte Janukowitsch auf, seine Zusagen an die Opposition rasch umzusetzen. "Wenn am Pulverfass die Lunte schon glimmt, dann ist es hochgefährlich, auf Zeit zu spielen", warnte er.
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Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf der EU hingegen eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine vor. Er frage sich, was "das Anstiften der zunehmend gewalttätigen Unruhen mit Demokratie zu tun" habe, sagte er auf der Konferenz in München. Der ukrainische Außenminister Leonid Koschara zeigte sich unnachgiebig. Die Regierung habe alle wichtigen Forderungen der Opposition erfüllt, nun müsse "auch die Opposition Verantwortung übernehmen".
Janukowitsch hatte sich krank gemeldet
Präsident Janukowitsch hatte sich am Donnerstag krank gemeldet. Am Sonntag kündigte er an, seine Arbeit am nächsten Morgen wieder aufzunehmen. In der Ukraine protestieren Regierungsgegner seit November gegen den Staatschef, dem sie eine Abkehr von der EU und eine Hinwendung zu Russland vorwerfen. Bei gewaltsamen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften wurden nach Angaben von Aktivisten bislang fünf Menschen getötet. Mehrere Oppositionelle wurden verschleppt und zusammengeschlagen.
Der Aktivist Dmitro Bulatow, der nach eigenen Angaben entführt und gefoltert wurde, erhielt nach Angaben Steinmeiers die Erlaubnis zur Ausreise. Er steht derzeit unter Hausarrest und wird medizinische betreut. Deutschland und Litauen sind bereit, Bulatow aufzunehmen. (AFP)