Kiew. Mit einem “Marshall-Plan“ will die Europäische Union der finanziell maroden Ukraine unter die Arme greifen - aber nur im Falle einer Übergangsregierung. Während die Opposition nach wie vor auf dem Rücktritt Janukowitschs besteht, wird hinter den Kulissen um eine neue Regierung gefeilscht.

Die Gegner des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch sind zur Regierungsbildung bereit. "Wir haben bisher nur ein Modell diskutiert - dass die Opposition die ganze Verantwortung übernimmt", sagte Ex-Außenminister Arseni Jazenjuk im regierungskritischen Fernsehsender 5. Kanal. "Das bedeutet, dass wir (...) das Land aus dem Loch ziehen, in das es die Regierung und der Präsident gezogen haben."

Zuvor hatte Jazenjuk ein Angebot Janukowitschs abgelehnt, Regierungschef zu werden. Die Opposition beharrt auf dem Rücktritt des Präsidenten.

Angesichts der anhaltenden proeuropäischen Proteste in der Ukraine hat die russische Regierung die ukrainische Opposition vor "Drohungen und Ultimaten" an die Staatsführung in Kiew gewarnt. Moskau erwarte, dass die Opposition in der Ukraine darauf künftig verzichte, hieß es am Montag in einer Erklärung des Außenministeriums. Vielmehr sollten die Regierungsgegner "den Dialog mit den Behörden verstärken, damit das Land aus der tiefen Krise herausfinden kann". Dies müsse "im Rahmen der Verfassung" geschehen.

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Auch Unternehmer und Regierungsvize als Nachfolger im Gespräch

Parlamentspräsident Wladimir Rybak betonte am Montag, Janukowitsch habe noch keinen Vorschlag für das Amt des Regierungschefs gemacht. Der bisherige Ministerpräsident Nikolai Asarow war vor rund einer Woche auf Druck der Opposition zurückgetreten. Außer Jazenjuk gelten auch der oppositionelle Unternehmer Pjotr Poroschenko sowie der bisherige Vizeregierungschef Sergej Arbusow als Kandidaten für die Nachfolge.

Der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko forderte ein neues Gesetz über einen bedingungslosen Straferlass für festgenommene Demonstranten. Die Regierungsgegner lehnen ein in der Vorwoche angenommenes Amnestiegesetz ab, das im Gegenzug die Räumung besetzter Gebäude verlangt.

EU und USA wollen erhebliche Finanzhilfen aufbringen

An diesem Dienstag wird in Kiew die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zu Gesprächen über eine Lösung der Krise erwartet. Ashton sagte dem "Wall Street Journal", die Europäische Union und die USA arbeiteten an einem Plan für erhebliche kurzfristige Finanzhilfen für die Ukraine. Jazenjuk hatte auf der Münchner Sicherheitskonferenz einen "Marshall-Plan" für das finanziell schwer angeschlagene Land gefordert, der aber nur dem Volk zugutekommen dürfe.

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Ashton sagte, das Hilfspaket solle der Ex-Sowjetrepublik in einer Übergangsphase helfen. Während dieser Zeit könne eine Übergangsregierung wichtige politische und wirtschaftliche Reformen ergreifen und Präsidentenwahlen vorbereiten. Die Führung in Kiew sowie Russland werfen der EU eine unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten vor.

Anführer der radikalen Rechten ins Ausland geflohen

Der Anführer der radikalen rechten Splittergruppe Spilna Sprawa (Gerechte Sache), Alexander Daniljuk, flüchtete indes aus Angst vor der Justiz nach Großbritannien. Dorthin hatte sich zuvor bereits seine schwangere Ehefrau mit einem Kind abgesetzt. Gegen Daniljuk wird wegen der Organisation von Massenunruhen ermittelt. Spilna Sprawa hatte öffentliche Gebäude in Kiew und auch Ministerien besetzt.

Angesichts der monatelangen Demonstrationen klagen Theater und Museen im Stadtzentrum über einen großen Besucherschwund. Das Kulturministerium schätzt die Einnahmeverluste auf umgerechnet rund 200.000 Euro. "Wegen der Proteste fürchten sich viele Menschen vor dem Weg ins Zentrum", teilte die Nationale Philharmonie mit. (dpa)