Berlin/Düsseldorf. . Arbeitsministerin Andrea Nahles hat das milliardenschwere Rentenpaket gegen Kritiker verteidigt - auch gegen Altkanzler Gerhard Schröder. Der sieht in der Rente ab 63 für Arbeitnehmer, die 45 Jahre lang Beiträge gezahlt haben, „ein absolut falsches Signal“. Besonders die Frauen kämen schlecht weg.

Früher sah Gerhard Schröder das nicht so eng, wenn es um Korrekturen an seinem Agenda-Projekt ging. Als Franz Müntefering sich einmal zum Gralshüter der Reformen erklärte und Änderungen ablehnte, stichelte der Altkanzler: „Die Agenda 2010 ist nicht die zehn Gebote, und niemand, der daran mitgearbeitet hat, sollte sich als Moses begreifen.“ Nun ist Schröder selbst zum Moses geworden – und attackiert mit kernigen Worten die Rentenreformpläne seiner SPD-Parteifreundin Andrea Nahles.

Vor allem die Rente mit 63 nimmt Schröder aufs Korn. Ihn wundere, dass sich die Frauen nicht zu Wort gemeldet haben, denn das Ergebnis sei eindeutig, so Schröder: „Der männliche Facharbeiter, relativ gut verdienend, wird das nutzen können, Frauen eher weniger, weil die meistens gar nicht auf die 45 Beitragsjahre kommen.“ Früher hatte Schröder Frauen- und Familienpolitik auch schon mal als „Gedöns“ abgetan.

Ein heikler Punkt der Reform

Tatsächlich trifft Schröder einen heiklen Punkt – viele Experten monieren, dass von der Frühverrentung vor allem Männer profitieren. So sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Sozialpolitiker Markus Kurth aus Dortmund dieser Zeitung: „Das Vorhaben dient nicht der Bekämpfung von Altersarmut.

Zu den Gewinnern zählen vorwiegend männliche Arbeitnehmer, die über verhältnismäßig gute Rentenansprüche und zusätzlich oft über eine Betriebsrente verfügen. Erwerbstätige, die nicht lückenlos in die Rentenversicherung einzahlen konnten, gehen nicht nur leer aus, sondern müssen über ihre Beiträge und ein niedrigeres Rentenniveau für das neue Rentenprivileg zahlen.“

Auf eine Anfrage von Kurth hat die Bundesregierung einräumen müssen, dass Frauen wegen ihrer durch Kindererziehung bedingten längeren Lücken in der Erwerbsbiografie viel seltener begünstigt wären. Im Jahr 2011 wären es 92.000 Männer, aber nur 24.000 Frauen gewesen.

Männer profitieren stärker

Der Präsident der Deutschen Rentenversicherung, Herbert Rische, bestätigt: „Es zeigt sich deutlich, dass von der Regelung Männer erheblich stärker profitierten als Frauen. Und die Renten kommen besonders langjährig Versicherten zugute, die ohnehin über relativ hohe Rentenansprüche verfügen.“

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Auch aus der SPD erhält Schröder Unterstützung. „Schröder hat Recht, dass Frauen im Nachteil sind, weil nur wenige Frauen mit 63 Jahren wegen der Geburt ihrer Kinder 45 Beitragsjahre vorweisen können“, sagte Gerda Kieninger, Frauenpolitikerin der SPD-Landtagsfraktion. „Teilweise kompensiert wird das allerdings durch die Mütterrente.“

Aber alle Frauen müssen zahlen

Und Barbara Steffens von den Grünen, für die Emanzipation zuständige Ministerin in der rot-grünen Landesregierung in Düsseldorf, erklärte gegenüber dieser Redaktion: „Frauenpolitisch ist die Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren ein klarer Nachteil, weil die wenigsten Frauen das Kriterium von 45 Beitragsjahren erfüllen, aber alle Frauen über Versicherungsbeiträge zur Kasse gebeten werden“, so Steffens.

Die Linkspartei fordert, auch Zeiten von Langzeitarbeitslosigkeit zu berücksichtigen – dann könnten auch Frauen häufiger in den Genuss der Rente mit 63 kommen. Die scharfe Kritik an der Ungleichbehandlung von Frauen macht sich die Linke aber nicht zu eigen: Die Mütterrente komme ja zu 97 Prozent den Frauen zugute.