Kiew. Die Welt schaut auf die Ausschreitungen und Massenproteste der Regierungsgegner in der Ukraine. In der Hauptstadt Kiew haben die Demonstranten in Kiew das Justizministerium besetzt. Doch auch in der ukrainischen Provinz wächst der Zorn auf Präsident Janukowitsch.
Eine Woche nach dem Beginn der Ausschreitungen in Kiew will die ukrainische Opposition ihre gewaltsamen Proteste in den Regionen ausweiten. In mehreren Großstädten in der Zentralukraine versuchten Demonstranten, Verwaltungsgebäude zu stürmen. In dem an Polen angrenzenden Westen des Landes haben die Gegner von Präsident Viktor Janukowitsch bereits vielerorts die Rathäuser in ihre Gewalt gebracht. Die Opposition fordert seit Wochen den Rücktritt des an Russland orientierten Staatsoberhaupts.
In Kiew erstürmten radikale Kräfte innerhalb der pro-europäischen Opposition am Sonntagabend das zentral gelegene Justizministerium. Witali Klitschko mahnte zur Besonnenheit und rief die Demonstranten zum Räumen des Gebäudes auf. "Sie wollen bleiben, aber ich werde versuchen sie vom Gegenteil zu überzeugen", sagte Klitschko am Montag in Kiew. Es gelte, eine politische Lösung des Machtkampfs zu finden und Provokationen zu vermeiden, sagte der Ex-Boxchampion.
Im Osten der Ukraine genießt Janukowitsch weiter Rückhalt
Justizministerin Jelena Lukasch rief die radikalen Regierungsgegner zum Verlassen ihres Amtssitzes auf. Sie hoffe zwar auf eine friedliche Regelung. Sollten sich die Demonstranten aber nicht zurückziehen, werde sie die Lage mit dem Nationalen Sicherheitsrat besprechen, sagte Lukasch. Dabei werde möglicherweise auch die Verhängung des Notstands in der Ex-Sowjetrepublik erörtert.
Auch in den Industriezentren Dnjepropetrowsk und Saproschje versuchten Oppositionsanhänger nach eigenen Angaben, öffentliche Gebäude unter ihre Kontrolle zu bringen. Im bevölkerungsreichen Osten - an der Grenze zu Russland - genießt Janukowitsch dagegen weiterhin Rückhalt.
Die Proteste dehnten sich auch im nationalistisch geprägten Westen des Landes aus. In Ternopol und Iwano-Frankowsk besetzte die Opposition Rathäuser. In Winniza trat ein Richter aus Protest gegen die "politisch motivierte Verurteilung" von Demonstranten zurück.
Mindestens vier Tote und Hunderte Verletzte bei Protesten
Die Oppositionsführung um den Boxchampion Witali Klitschko hatte am Wochenende ein überraschendes Kompromissangebot der Staatsführung abgelehnt. In Kiew besetzten Demonstranten nach schweren Zusammenstößen mit der Polizei das Kongresszentrum am Europaplatz. "Die Luft für Präsident Viktor Janukowitsch wird immer dünner", sagte eine Sprecherin der Regierungsgegner am Sonntag.
Nach der Verschärfung des Versammlungsverbots per Gesetz war es Mitte Januar zu schweren Krawallen in Kiew gekommen. Dabei starben mindestens vier Menschen, Hunderte wurden verletzt. Am Sonntag ehrten Tausende Menschen in Kiew mit einem Trauermarsch einen 25-Jährigen, der am Mittwoch bei Zusammenstößen aus noch ungeklärter Ursache erschossen worden war.
Steinmeier mahnt ukrainische Führung, auf die Opposition zuzugehen
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) rief die an Russland orientierte Staatsführung der Ukraine auf, in dem erbitterten Machtkampf auf die Opposition zuzugehen. Eine Lösung des Konflikts sei nicht mit Gewalt zu erzwingen, sagte er in Berlin. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, schloss Sanktionen gegen die ukrainische Regierung nicht aus. "Janukowitsch, Stopp mit der Gewalt. Und rede mit deinem Volk, das ist der bessere Weg als der Unsinn, der da jetzt veranstaltet wird", sagte Schulz beim SPD-Sonderparteitag in Berlin.
Janukowitsch hatte seinen Kritikern in einem spektakulären Schritt Ministerposten angeboten. Der Oppositionspolitiker Arseni Jazenjuk solle neuer Regierungschef und Klitschko dessen Stellvertreter werden. Das hatte der prorussische Staatschef bei einem dreistündigen Krisentreffen gesagt. Klitschko lehnte das Angebot mit den Worten ab, Janukowitsch müsse mit einem Rücktritt den Weg für einen politischen Neubeginn freimachen. Jazenjuk sprach sich angesichts der desolaten Lage im zweitgrößten Flächenstaat Europas für weitere Verhandlungen aus. Für seine Partei stehe die Annäherung an die EU im Vordergrund. (dpa)