Montreux. . Heftige Attacken zwischen Vertretern von Staatsführung und Opposition haben den ersten Tag der Syrien-Friedenskonferenz überschattet. Syriens Außenminister al-Muallim warf den Gegnern von Staatschef Assad im schweizerischen Montreux vor, „Verräter“ zu sein. Diese konterten mit Fotos von Gefolterten.

Krasser könnte der Gegensatz nicht sein. Vor der Traumkulisse am Genfer See starteten am Mittwoch in Montreux die Gespräche der verfeindeten Parteien im Syrien-Krieg. Draußen strahlte die Sonne, Boote schaukelten sanft im Wasser, drinnen im gediegenen Hotel „Montreux Palace“ warfen sich Opposition und Regierung gegenseitig Gräueltaten vor: 130.000 Tote, Hunderttausende Flüchtlinge, zahllose Folter- und Terroraktionen.

„Es ist völlig klar, dass die Nerven blank liegen“, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Rande der Konferenz. Man müsse froh sein, wenn beide Seiten überhaupt in Montreux blieben.

Lösung ohne Assad

Das Dilemma besteht darin, dass man auf der einen Seite eine politische Lösung ohne den syrischen Machthaber Baschir al-Assad sucht und ihn auf der anderen Seite für humanitäre Erleichterungen braucht. Ohne seine Zustimmung wird es keine Waffenpause und somit keinen Zugang für Hilfsorganisationen geben.

„Dieser Tag ist ein Anfang“, rief US-Außenminister John Kerry aus. „Heute ist der Tag der Wahrheit“, erwiderte sein syrischer Kollege Walid al-Muallim, der die Opposition mal Verräter und mal Agenten „im Dienst von Feinden“ nannte und die Atmosphäre aufheizte. Ahmed Al Dscharba, der einen Teil der Rebellen vertritt, hielt im Gegenzug im Saal ein Bild von Folteropfern hoch – Fotos, die seit Tagen die Welt erschüttern.

Drei Szenarien

Dscharba hat in Montreux eine doppelte Aufwertung erfahren. Zum einen erreichte er Augenhöhe mit der syrischen Regierung. Zum anderen wurde er von der internationalen Staatenwelt als der maßgebliche Vertreter der Opposition anerkannt.

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Es gibt drei Szenarien, wie es weitergehen könnte. Szenario Nummer eins: Beide Seiten kämpfen so lange, bis sie kriegsmüde sind und bis ihr Land ausblutet. Das kann dauern, im Libanon waren es in einer vergleichbar hasserfüllten Situation 15 Jahre, von 1975 bis 1990. Das Land kann aber auch zerfallen. Die Kurden, die annähernd 15 Prozent der Bevölkerung stellen, sind erst gar nicht nach Genf angereist – sie stecken ihr Territorium ab.

Für das dritte Szenario steht diese Konferenz der Vereinten Nationen in der Schweiz, an der sich neben den USA und Russland weitere 39 Staaten beteiligten: Für eine diplomatische Lösung. Eine Übergangslösung wäre der erste Schritt dazu, und zwar ohne Assads Beteiligung.

Feuerpausen als erster Schritt

Eine Übergangsregierung ist das Ziel, das unter der Vermittlung der Vereinten Nationen im Juni 2012 in Genf formuliert wurde. Die Hoffnung ist, dass beide Seiten nach dem gestrigen Auftakt in der Schweiz bleiben und am Freitag die Verhandlungen aufnehmen. Auf Dauer – so das Kalkül – kann man nicht miteinander reden und mit unveränderter Härte Krieg führen. Mit der Zeit würde man um begrenzte Feuerpausen nicht herumkommen. Es wäre der erste Schritt, auf den Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon, hinarbeitet. „Wir können uns“, pflichtet Steinmeier bei, „Resignation nicht erlauben.“