Beirut/Den Haag. Bei einem Autobombenanschlag kurz vor Beginn des Prozesses gegen die mutmaßlichen Mörder von Ex-Premier Rafik Hariri sind im Libanon drei Menschen ums Leben gekommen. Vier der insgesamt 43 Verletzten sind in kritischem Zustand. Der Hariri-Prozess wird vor einem Sondertribunal in Den Haag abgehalten.
Bei einem Sprengstoffanschlag in einer Hochburg der libanesischen Schiiten-Bewegung Hisbollah sind drei Menschen ums Leben gekommen. Das bestätigte ein Kommandeur der libanesischen Armee. Der Sprengsatz detonierte in einem Auto, das vor einer Bank in der nordöstlichen Stadt Hermel geparkt worden war. Vier der insgesamt 43 Verletzten seien in kritischem Zustand, hieß es. Der Sprengsatz detonierte am Donnerstag wenige Minuten vor Beginn des Prozesses gegen vier mutmaßliche Mörder des früheren libanesischen Regierungschefs Rafik Hariri.
Die angeklagten Libanesen sind Mitglieder der Hisbollah. Keiner der Verdächtigen wurde bislang verhaftet, weshalb die Anklagebank in Den Haag leer blieb. Der Ankläger des Sondertribunals zum Libanon, Norman Farrell, zeigte sich am ersten Prozesstag trotzdem zuversichtlich, was die Beweisführung angeht.
Er wolle über 500 Zeugen aufrufen, erklärte Farrell. Er schilderte mit Fotos und Videoaufnahmen den Ablauf des Attentates, bei dem zwischen 2500 und 3000 Kilogramm Sprengstoff eingesetzt wurden. Bei dem Anschlag in Beirut waren am 14. Februar 2005 außer Hariri noch 22 weitere Menschen ums Leben gekommen, darunter ein Selbstmordattentäter. Die Hisbollah bestreitet jede Beteiligung an dem Attentat.
Anschläge senden "Botschaft des Terrors"
Der Anschlag hatte damals zu politischen Verwerfungen geführt, in deren Folge die einstige Schutzmacht Syrien ihre Truppen aus dem Libanon abziehen musste. Er führte außerdem zu Spannungen zwischen der Hisbollah und den Sunniten, die bis heute andauern. Verschärft wurden dieser Konflikt in den vergangenen Monaten dadurch, dass die Hisbollah Milizionäre in den syrischen Bürgerkrieg schickte, um auf der Seite der Truppen von Präsident Baschar al-Assad zu kämpfen.
Zu dem Attentat in der nordöstlichen Stadt Hermel bekannte sich am Donnerstag zunächst niemand. In den vergangenen Monaten hatte es im Libanon zahlreiche Anschläge gegeben. Sie galten sunnitischen Politikern und Gegnern des syrischen Regimes sowie Hisbollah-Vierteln und iranischen Diplomaten. Zuletzt waren vor zwei Wochen in einer Hochburg der Hisbollah in Beirut sechs Menschen getötet worden.
Der Ankläger des Libanon-Sondertribunals in Den Haag sagte, den Drahtziehern des Attentates auf Hariri sei es damals nicht gelungen, alle Beweise zu vernichten. "Sie wollten eine Botschaft des Terrors an den Libanon und seine Bevölkerung schicken", betonte er.
Urteilsspruch könnte politische Spannungen verschärfen
Hariris Sohn und politischer Erbe, Saad Hariri, war zum ersten Prozesstag nach Den Haag gereist. Im Gespräch mit Angehörigen der anderen Anschlagsopfer sagte er: "Dies ist ein historischer Tag, der für die Gerechtigkeit im Libanon eine neue Seite aufschlägt."
Dass der Prozess in Den Haag wirklich Gerechtigkeit bringen wird, bezweifeln viele Libanesen jedoch, da keiner der Beschuldigten auf den Anklagebank sitzt. Zudem ist zu befürchten, dass der Urteilsspruch die Feindschaft zwischen den beiden politischen Lagern noch verschärfen wird.
Wegens des Anschlags auf Hariri ist noch ein fünfter Mann angeklagt. Der Prozess gegen ihn vor dem Sondertribunal wird derzeit noch vorbereitet.
Das Tribunal
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen richtete das Tribunal im Jahr 2007 auf Wunsch der damaligen Regierung in Beirut ein, im März 2009 nahm es seine Arbeit auf. Es ist die erste internationale Rechtsprechungsinstanz, die sich mit einem Terroranschlag beschäftigt und Angeklagte in Abwesenheit verurteilen darf.
Die Angeklagten
Der 52-jährige Mustafa Badreddin ist als eigentlicher "Kopf" des Attentats angeklagt, der 50-jährige Salim Ajjasch soll die Ausführung des Anschlags koordiniert haben. Der 39-jährige Hussein Oneissi und der 37-jährige Assad Sabra sollen später ein falsches Bekennervideo verbreitet haben. Die vier Libanesen sind flüchtig und werden mit internationalem Haftbefehl gesucht. 2013 wurde noch ein fünftes Hisbollah-Mitglied angeklagt, der 48-jährige Hassan Habib Merhi. Er wird ebenfalls per Haftbefehl gesucht.
Die Anklage
Die Anklage stützt sich auf Indizienbeweise, die hauptsächlich auf Verbindungsdaten mehrerer Mobiltelefone basieren. Die Angeklagten sollen bei der Planung und Ausführung des Attentats laut Anklageschrift fünf Handy-Ringe genutzt haben. In geheimen Netzwerken kommunizierten die Mitglieder demnach ausschließlich untereinander, von "offenen" Handys wurden auch Dritte angerufen, etwa zum Kauf des Mitsubishi-Kleinlasters, auf dem die Bombe versteckt war. Ein als "rotes Netzwerk" bezeichneter Handy-Ring wurde einen Monat vor dem Anschlag eingerichtet und zwei Minuten vor der Explosion zum letzten Mal genutzt.
Reaktionen im Libanon
Obwohl die damalige Regierung in Beirut selbst um die juristische Aufarbeitung des Anschlags gebeten hatte, war die Arbeit des Tribunals im Libanon immer umstritten. Im Januar 2011 führte der Streit sogar zum Sturz der Regierung von Hariris Sohn Saad. Die schiitische Hisbollah hat die Verantwortung für den Anschlag stets zurückgewiesen und weigert sich, die Verdächtigen auszuliefern. Verschärft wurden die Spannungen zuletzt noch durch den Bürgerkrieg im Nachbarland Syrien. Die Hisbollah kämpft in Syrien auf Seiten von Präsident Baschar al-Assad, die prowestliche Koalition 14. März unterstützt die Aufständischen. (afp/dpa)