Washington/London. . Ließen die USA in Libyen foltern? Medienberichten zufolge hat der amerikanische Geheimdienst eng mit dem Gaddafi-Regime zusammen gearbeitet. Und die USA waren damit offenbar nicht allein.

Der britische und der US-Geheimdienst haben offenbar eng mit der Führung des libyschen Machthabers Muammar el Gaddafi zusammengearbeitet. So habe die CIA Terrorverdächtige zur Befragung nach Libyen geschickt und im Gegenzug Hilfe bei der Gefangennahme eines Oppositionellen zugesagt, hieß es am Samstag in Presseberichten. Die neue libysche Führung kündigte derweil ihren Umzug nach Tripolis an.

Die CIA habe während der Amtszeit von US-Präsident George W. Bush Terrorverdächtige nach Libyen geschickt und Fragen für die Verhöre nahegelegt, berichtete das „Wall Street Journal“. Der US-Geheimdienst habe sich 2004 angesichts der Annäherung Libyens an den Westen außerdem um eine „ständige Vertretung“ in dem nordafrikanischen Land bemüht.

Terrorverdächtigte zur Vernehmung nach Libyen geschickt

Mindestens acht Mal hätten die US-Geheimdienste Terrorverdächtige zur Befragung in das für seine Folterpraxis bekannte Libyen geschickt, berichtete die „New York Times“. Tripolis habe im Gegenzug gefordert, den Oppositionsführer Abu Abdullah el Sadik nach Libyen zu bringen. Ein CIA-Mitarbeiter habe Hilfe zugesagt und geschrieben, die USA fühlten sich „verpflichtet, diese Beziehungen zum Nutzen beider Geheimdienste auszubauen“. Sadik soll ein Pseudonym von Abdel Hakim Belhadsch sein, der mittlerweile ein Anführer der Truppen der neuen libyschen Führung ist.

Die britische Zeitung „The Independent“ berichtete, Großbritannien habe Gaddafis Spione mit Informationen über libysche Oppositionelle im Exil versorgt. Die USA hätten wiederum angeboten, Libyen Schaich Musa, ein mutmaßliches Mitglied der El-Kaida-nahen libyschen Islamischen Kampfgruppe, „in Ihre effektive Verwahrung“ zu geben.

Hinweise auf enge Beziehungen zu britischen und US-Behörden

Bei ihren Berichten stützen sich die Zeitungen auf Dokumente des ehemaligen libyschen Außenministers Mussa Kussa, die Forscher der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) nach dem Einmarsch der Aufständischen vergangene Woche in Tripolis gefunden hatten. Kussa hatte sich im März nach Großbritannien abgesetzt. Obwohl dem ehemaligen Geheimdienstchef Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, konnte er nach Katar weiterfliegen.

In den Dokumenten fanden sich den Berichten zufolge Hinweise auf enge Beziehungen Mussas zu den britischen und US-Behörden. Der hochrangige CIA-Mitarbeiter Stephen Kappes habe ein Schreiben mit „Lieber Mussa“ begonnen und mit „Steve“ unterzeichnet, schrieb das „WSJ“. Laut „Independent“ erhielt Kussa mehrfach „Grüße vom (britischen Geheimdienst) MI6“.

Britischer Außenminister will sich nicht äußern

Der britische Außenminister William Hague wollte die Berichte nicht kommentieren. Foto: AP
Der britische Außenminister William Hague wollte die Berichte nicht kommentieren. Foto: AP © AP

Der britische Außenminister William Hague sagte am Samstag dem Fernsehsender Sky News, da die Enthüllungen eine Vorgängerregierung beträfen, wisse er nichts darüber. Außerdem kommentiere er grundsätzlich keine Geheimdienstangelegenheiten.

Der libysche Übergangsrat bereitete sich derweil auf seinen Umzug von Bengasi nach Tripolis kommende Woche vor. Außerdem sei mit dem Aufbau einer „Nationalarmee zum Schutz der Demokratie“ begonnen worden, erklärte Übergangsratsmitglied Omar el Hariri.

Wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete, rückten Truppen der neuen Führung in Libyen am Samstag mit 200 Fahrzeugen auf die Wüstenstadt Bani Walid vor, die als möglicher Rückzugsort Gaddafis gilt.

Russland, das den Übergangsrat erst spät anerkannt hatte, lud Vertreter der neuen libyschen Führung zu Gesprächen über Energiefragen nach Moskau ein. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die internationale Gemeinschaft auf, Libyens Stabilisierung zu unterstützen. (afp)

Muammar al Gaddafi

Auf den Straßen von Bengasi...
Auf den Straßen von Bengasi...
...feiern die Menschen den Einzug...
...feiern die Menschen den Einzug...
... der libyschen Rebellen nach Tripolis. Viele der feiernden Menschen...
... der libyschen Rebellen nach Tripolis. Viele der feiernden Menschen...
... dürften den gleichen Wunsch haben: Diese Männer bringen ihn mit einem selbst gemalten Plakat deutlich zur Geltung. 42 Jahre...
... dürften den gleichen Wunsch haben: Diese Männer bringen ihn mit einem selbst gemalten Plakat deutlich zur Geltung. 42 Jahre...
... Regierungszeit machten  Muammar al Gaddafi zu Afrikas dienstältestem Herrscher, er selbst nannte sich deshalb den
... Regierungszeit machten Muammar al Gaddafi zu Afrikas dienstältestem Herrscher, er selbst nannte sich deshalb den "König der afrikanischen Könige". Oberst Gaddafi, nach eigenen Worten 1942 in einem Beduinenstamm ... © AP/Sergei Grits
... in der Wüste nahe der Stadt Surt geboren, putschte sich im September 1969 unblutig an die Macht und rief wenige Jahre später den
... in der Wüste nahe der Stadt Surt geboren, putschte sich im September 1969 unblutig an die Macht und rief wenige Jahre später den "Staat der Massen" aus. Der regiert sich ... © AP/Francois Mori
... zumindest in der Theorie selbst und braucht folglich keinen Staatschef, weshalb Gaddafi sich nie so nennen ließ.
... zumindest in der Theorie selbst und braucht folglich keinen Staatschef, weshalb Gaddafi sich nie so nennen ließ. © REUTERS
Zu den harmlosen Sonderlichkeiten des Revolutionsführers gehört das berühmte Beduinenzelt, das er selbst zu Staatsbesuchen ins Ausland mitnimmt, weil er nicht in einem Haus schlafen mag. Eine weitere Schrulle ...
Zu den harmlosen Sonderlichkeiten des Revolutionsführers gehört das berühmte Beduinenzelt, das er selbst zu Staatsbesuchen ins Ausland mitnimmt, weil er nicht in einem Haus schlafen mag. Eine weitere Schrulle ... © REUTERS
... ist die frische Kamelmilch, auf die er morgens nicht verzichten mag, weshalb immer auch ein paar Kamelstuten mit ins Flugzeug müssen, wenn er auf Reisen geht.
... ist die frische Kamelmilch, auf die er morgens nicht verzichten mag, weshalb immer auch ein paar Kamelstuten mit ins Flugzeug müssen, wenn er auf Reisen geht. © REUTERS
Seine Herrschaft konnte Gaddafi aber nur mit eiserner Hand festigen. Politische Gegner wurden gnadenlos unterdrückt. Zugleich achtete er bei der Verteilung ...
Seine Herrschaft konnte Gaddafi aber nur mit eiserner Hand festigen. Politische Gegner wurden gnadenlos unterdrückt. Zugleich achtete er bei der Verteilung ... © REUTERS
... von Macht und Posten darauf, dass die komplizierte Stammesstruktur seines Landes nicht aus dem Gleichgewicht geriet. Ablehnung und Protest war Gaddafi daher während seiner Herrschaft bisher nur außerhalb seiner Heimat gewohnt.
... von Macht und Posten darauf, dass die komplizierte Stammesstruktur seines Landes nicht aus dem Gleichgewicht geriet. Ablehnung und Protest war Gaddafi daher während seiner Herrschaft bisher nur außerhalb seiner Heimat gewohnt. © REUTERS
Zum internationalen Paria wurde Gaddafi nach einer Serie von Anschlägen, die seinem Regime zugeschrieben wurden.
Zum internationalen Paria wurde Gaddafi nach einer Serie von Anschlägen, die seinem Regime zugeschrieben wurden. © REUTERS
Anfang der 90er Jahre verhängten die Vereinten Nationen ein Handelsembargo. Jahrelang hielt Gaddafi dem Druck stand, doch im Frühjahr 2003 entschädigte er dann die Opfer der beiden Flugzeuganschläge, ...
Anfang der 90er Jahre verhängten die Vereinten Nationen ein Handelsembargo. Jahrelang hielt Gaddafi dem Druck stand, doch im Frühjahr 2003 entschädigte er dann die Opfer der beiden Flugzeuganschläge, ... © REUTERS
... wenig später schwor er öffentlich seinem Rüstungsprogramm ab. Im darauffolgenden Jahr zahlte die Gaddafi-Stiftung auch Entschädigungen an die Opfer des La-Belle-Anschlags.
... wenig später schwor er öffentlich seinem Rüstungsprogramm ab. Im darauffolgenden Jahr zahlte die Gaddafi-Stiftung auch Entschädigungen an die Opfer des La-Belle-Anschlags. © AFP
Damit vollzog Gaddafi eine radikale Kehrtwende und streckte die Hand nach dem Westen aus. Libyen wurde wieder hoffähig, die UNO hob das Embargo auf. Internationale Konzerne standen ...
Damit vollzog Gaddafi eine radikale Kehrtwende und streckte die Hand nach dem Westen aus. Libyen wurde wieder hoffähig, die UNO hob das Embargo auf. Internationale Konzerne standen ... © REUTERS
... fortan in Tripolis Schlange, um Geschäfte mit dem viertgrößten afrikanischen Ölproduzenten einzufädeln. Die Europäer machten ihn zum Partner, um Flüchtlingsströme aus Afrika einzudämmen.
... fortan in Tripolis Schlange, um Geschäfte mit dem viertgrößten afrikanischen Ölproduzenten einzufädeln. Die Europäer machten ihn zum Partner, um Flüchtlingsströme aus Afrika einzudämmen. © REUTERS
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