Beirut. .
Sie war die spektakulärste Bluttat seit Ende des libanesischen Bürgerkriegs. Am 14. Februar 2005 um 12.55 Uhr legte eine Lastwagenbombe nahe der Corniche von Beirut eine ganze Häuserzeile in Schutt und Asche. Vor dem St. George Hotel in der Minet al-Hosn Straße klaffte ein riesiger Krater. Der Selbstmordanschlag galt dem Konvoi des langjährigen Ministerpräsidenten Rafik Hariri. Der 61-Jährige war sofort tot, mit ihm starben 22 Menschen.
Heute beginnt nach fast neun Jahren komplizierter Ermittlungen, politischer Spannungen und offener Drohungen der Prozess gegen vier der vermeintlichen Täter vor dem „Sondertribunal für den Libanon (STL)“ in Den Haag.
Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen unter der Leitung des deutschen Ermittlers Detlev Mehlis kam in einem ersten Bericht zu dem Schluss, dass Teile der libanesischen Sicherheitskräfte ihre Hände mit im Spiel hatten und deutliche Spuren nach Damaskus führten. Das im März 2009 eingesetzte UN-Sondertribunal in Den Haag jedoch ließ die syrische Spur fallen und setzte die vier verhafteten libanesischen Generäle auf freien Fuß. Stattdessen gingen die Fahnder davon aus, dass die Täter in den Reihen der Hisbollah zu suchen sind. Erste Hinweise fand bereits Anfang 2006 ein junger libanesischer Spezialermittler, als er aus Millionen von Handydaten drei Ringe von verdächtigen Mobiltelefonen herausfiltern konnte. Ein Netz von acht „roten“ Handys sei in den Tagen zuvor sowie am Tattag auffällig häufig in der Nähe Hariris verwendet worden.
Handys sind verstummt
Alle Geräte gehörten offenbar den direkten Bombenlegern und sind seit dem Attentat verstummt. Das „rote Netz“ stand in Verbindung zu einem „gelben“ und „blauen“ Handy-Ring, deren Besitzer offenbar als Hintermänner die Planung der Mordtat steuerten. Der findige libanesische Polizeioffizier hat seinen Spürsinn inzwischen mit dem Leben bezahlt. 2008 starb der 31-Jährige zusammen mit seinem Leibwächter und drei Passanten durch eine Autobombe – ausgeführt von einem Kommando der Hisbollah.
Doch die Kriminalisten in Den Haag ließen sich nicht beirren. Mehrfach fuhren sie in den Libanon und verhörten Hisbollah-Mitglieder. Ende Juni 2011 schließlich übergaben sie dem libanesischen Generalstaatsanwalt vier Haftbefehle. Bekanntester Name auf der Liste ist der 52-jährige Mustafa Amine Badreddine, ein Schwager von Imad Moughniyeh, dem langjährigen Terrorplaner der Hisbollah. Der zweite Beschuldigte ist Salim Ayyash, der auch einen amerikanischen Pass besitzt. Er soll die Terrorzelle geleitet haben, die Hariris Ermordung ausführte. Die beiden anderen Personen, Hussein Anaissi und Assad Sabra, sind unbeschriebene Blätter. Keiner der Gesuchten konnte verhaftet werden, sodass das Gericht gegen alle in Abwesenheit verhandeln muss.
Die humanitäre Katastrophe des syrischen Bürgerkriegs jedoch hat für viele Libanesen die Bedeutung des Hariri-Mordprozesses in Den Haag relativiert. Die Hisbollah ist inzwischen an der Seite von Bashar al-Assad Kriegspartei. Sunnitische Extremisten aus dem Zedernstaat kämpfen in den Reihen der syrischen Opposition. Seit sechs Monaten überziehen sich beide Lager in Beirut und Tripoli mit verheerenden Bombenanschlägen, denen bereits mehr als hundert Menschen zum Opfer gefallen sind, darunter Ende Dezember mit Mohamad Chatah auch ein enger politischer Mitstreiter Hariris.