Luxemburg. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Aufenthaltszeiträume von EU-Ausländern im Gastland durch Gefängnisstrafen unterbrochen werden. Damit können EU-Ausländer, die Gefängnisstrafen verbüßt haben, leichter ausgewiesen werden als unbescholtene Bürger anderer europäischer Staaten.

Das Thema schlägt derzeit hohe politische Wellen: Je länger EU-Bürger sich legal in einem anderen europäischen Staat aufhalten, desto schwieriger wird eine Ausweisung. Doch unantastbar sind EU-Ausländer nicht - wer ins Gefängnis muss, hat schlechtere Karten.

Das geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg vom Donnerstag hervor (Rechtssachen C-378/12 und C-400/12). Demnach können EU-Ausländer, die eine Strafe im Gefängnis verbüßt haben, vom Gastland leichter ausgewiesen werden als unbescholtene Bürger anderer europäischer Staaten.

Normalerweise steigt der Schutz vor Ausweisung mit der Dauer des Aufenthalts, und zwar jeweils nach fünf und zehn Jahren. Die Richter urteilten aber, dass diese Zeiträume durch Gefängnisaufenthalte unterbrochen werden. Nach einer Haftstrafe beginne die Zählung von vorne. Ab zehn Jahren Aufenthalt sei aber eine Einzelfallprüfung nötig.

Gefängnisstrafen deuten auf mangelnden Integrationswillen

Konkret geht es um zwei Fälle aus Großbritannien. Ein Londoner Gericht bat die Kollegen beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Hilfe bei der Auslegung der relevanten europäischen Regelungen.

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Im ersten Fall klagte ein Nigerianer, der durch Heirat mit einer Irin die irische Staatsbürgerschaft erlangt hatte - und damit auch EU-Bürger ist. Seine Frau und er lebten in Großbritannien. Dort wurde er wegen verschiedener Straftaten zu insgesamt drei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Die Behörden lehnten seien Antrag auf eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis und damit auch auf verbesserten Schutz vor Ausweisung ab - normalerweise erwerben EU-Bürger diese nach fünfjährigem Aufenthalt in einem anderen europäischen Land.

Der Mann argumentierte, dass er inklusive Gefängnisaufenthalten bereits mehr als fünf Jahre in Großbritannien lebte, außerdem sei er durch seine Heirat auch Angehöriger einer EU-Bürgerin und damit doppelt geschützt.

Die EuGH-Richter sehen dies anders: Die Gefängnisstrafen ohne Bewährung seien ein Hinweis auf mangelnden Integrationswillen. Die Haftzeiten müssten deshalb nicht bei der Berechnung der Aufenthaltsdauer berücksichtigt werden. Zudem beginne die Zählung nach jeder Haftzeit von vorne.

Ausweise-Beschluss ist entscheidend

Im zweiten Fall wurde eine Portugiesin wegen Misshandlung ihrer Kinder in Großbritannien zu 21 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Während sie im Gefängnis saß, beschlossen die Behörden ihre Abschiebung nach Portugal. Die Frau wehrte sich dagegen, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zehn Jahre im Land war und damit besonders geschützt.

Dies sei nicht der Fall, meinte der EuGH: Die zehn Jahre kontinuierlichen Aufenthalts seien nicht ab der Einreise zu berechnen, sondern rückwirkend vom Zeitpunkt des Ausweise-Beschlusses. Da die Frau zu dieser Zeit bereits im Gefängnis war, könne nicht mehr von einem zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalt die Rede sein. (dpa)