Washington. Erneuter Skandal unter den Soldaten, die die Silos der amerikanischen Nuklearwaffen-Arsenale hüten: Diesmal haben mehrere Offiziere bei einer Leistungsüberprüfung geschummelt. Es ist nicht die erste Affäre in der Truppe. Für das Pentagon ist das ein Alarmsignal.
Die Pannen-Serie auf den für das amerikanische Atomwaffen-Arsenal zuständigen Luftwaffen-Standorten wird immer länger und bizarrer.
Weil sie bei Leistungstests wie Schüler in der Abi-Prüfung geschummelt haben oder davon wussten, hat das Verteidigungsministerium jetzt 34 hochrangige Offiziere auf der Malmstrom-Airforce-Base im Bundesstaat Montana bis auf weiteres suspendiert.
Drogen und Betrug
Die Soldaten hatten sich per Text-Mitteilungen mit den passenden Antworten auf Fragen bei den routinemäßigen Tauglichkeits- und Wissenstests versorgt. „Absolut nicht hinnehmbar, wir sind tief enttäuscht“, erklärte die zuständige Luftwaffensprecherin Deborah Lee James sichtlich verärgert vor Journalisten im Pentagon.
Der Schwindel, der sich bereits im vergangenen Spätsommer zugetragen hatte, war bei einer Untersuchung gegen zwei andere Soldaten aufgeflogen, die ebenfalls mit der Beaufsichtigung der in unterirdischen Silos gelagerten Atomraketen Soldaten befasst sind. Bei ihnen waren Drogen sichergestellt worden. Inzwischen wird deshalb gegen elf Militärangehörige ermittelt.
Vorfall ist ein Alarmsignal
Für das Pentagon ist der jüngste Fall von Disziplinlosigkeit nicht nur der zahlenmäßig größte seit Inbetriebsnahme der Atom-Silos 1959 - sondern auch ein Alarmsignal.
Verteidigungsminister Chuck Hagel hatte erst vor wenigen Tagen anderen Atomraketen-Standorte in Wyoming und Nebraska einen seltenen Besuch abgestattet. Hintergrund ist eine Reihe von Zwischenfällen, die in Washington zunehmend Zweifel an der absoluten Zuverlässigkeit der über den Einsatz von Massenvernichtungswaffen entscheidenden Abteilungen auslösen.
Offene Luken am Atomwaffen-Silo
So verloren 19 Offiziere in Minot (North-Dakota) zwischenzeitlich ihre Zulassung für den Umgang mit Atomwaffen. Sie waren bei vergleichbaren Tests schlicht durchgefallen. In anderen Fällen standen explosionsgeschützte Stahl-Luken an den unterirdischen Kommandoständen offen; die letzten Hindernisse für potenzielle Eindringlinge.
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Zuletzt zog die Airforce Michael Carey aus dem Verkehr. Der Generalmajor, einer der Top-Kommandeure für die 450 Minuteman-III-Raketen, die pro Stück 1,8 Millionen Dollar kosten und eine Reichweite von 13 000 Kilometern haben, hatte auf einer Dienstreise in Russland tief ins Wodka-Glas geschaut, gepöbelt und sich mit käuflichen Damen eingelassen.
Kein Platz für Fehler
Chuck Hagel, ein Veteran des Vietnam-Krieges, nahm die Soldaten bei seiner Visite in der menschenleeren Einöde ins Gebet. „Was Sie tun, ist von größter Wichtigkeit für die Welt. Sie haben einen Beruf gewählt, in dem es keinen Platz für Fehler gibt - gar keinen.“ Als Hagel von der aktuellen Misere erfuhr, habe er sich tief entrüstet gezeigt, ließ das Ministerium verlauten.
Militär-Experten in Washington und Veteranen, die auf den Atom-Basen-Dienst getan haben, kennen das ursächliche Dilemma. Die Arbeit auf den Atom-Standorten, die weit ab von jeder Zivilisation liegen, gilt als der „einsamste und langweiligste Job“, den die Luftwaffe zu vergeben hat. Wie „Grabwächter bei den Pharaonen im alten Ägypten“, so ein Kenner in der Denkfabrik CSIS, fühlten sich viele Soldaten, die 365 Tage im Jahr 24 Stunden am Tag für den Fall der Fälle vorbereitet sein müssen.
Die Soldaten schlagen die Zeit tot
„De facto schlagen die Soldaten hier nur kontinuierlich unter der Erde die Zeit tot“, sagte ein Veteran des Stützpunkts Minot/North Dakota im vergangenen Sommer im Gespräch mit dieser Zeitung, „sie gewinnen keine Schlachten, sie bekommen keinen Extra-Lohn für Kampfhandlungen und die Öffentlichkeit nimmt von ihnen kaum Notiz.“ In dieser Gemengelage ausnahmslos maximale Sicherheitsstandards und absolute Perfektion einzuhalten, sei für manche Soldaten „einfach zu viel.“
Rüstungsexperten erwarten trotz der sinkenden strategischen Bedeutung von nuklearen Langstreckenraketen und des Spardrucks im Haushalt, dass die USA ihr Atom-Arsenal in den kommenden Jahren für sehr viel Geld modernisieren werden.