Düsseldorf/Skopje. . 1991 baute NRW für 600 Armutsflüchtlinge eine Siedlung in Mazedonien. Das Millionen-Projekt war allerdings schnell am Ende. Die neuen Häuser weckten Neid, und die Bewohner suchten ihr Glück dennoch wieder in NRW. Ist Armutsflucht durch Hilfe vor Ort überhaupt zu stoppen?
Unter den insgesamt fast 70.000 Rumänen und Bulgaren, die inzwischen nach NRW umgesiedelt sind, finden sich viele Roma. In diesem Jahr rechnen Experten mit 20.000 bis 30.000 neuen Armutszuwanderern – erneut werden viele Roma darunter sein.
Städte wie Duisburg und Dortmund sehen sich mit der Betreuung der Zuwanderer finanziell überfordert und verlangen Hilfe. Andere drängen darauf, den Roma in ihren Heimatländern ein besseres Leben zu ermöglichen.
Diese Idee ist nicht neu: Schon 1991 sorgten 1400 Roma mit einem „Bettelmarsch“ durch NRW für Aufsehen. Damals scheiterte Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) mit der millionenteuren „neuen Flüchtlingspolitik“.
Ein Camp vor der Staatskanzlei
Wochenlang hatten bis zu 500 Roma aus Mazedonien in einem Zeltlager unter der Rheinbrücke direkt vor der Staatskanzlei campiert, um trotz abgelehnter Asylanträge eine Duldung zu erzwingen. Zur Entschärfung der explosiven Lage beschloss die Regierung Rau, insgesamt an die 2000 Roma aus Mazedonien, die sich in NRW aufhielten, mit viel Geld, guten Worten und wohnlichen Holzhäusern zur Ausreise zu bewegen.
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Rückkehrwillige sollten Doppelhäuser in der Nähe der mazedonischen Stadt Skopje erhalten – wer das Angebot ausschlug, dem drohte die Abschiebung. Insgesamt 13 Millionen Mark stellte die Regierung für die modellhafte Hilfe in der Heimat der Roma bereit.
Im Oktober 1991 flog der damalige Chef der Staatskanzlei, Wolfgang Clement (SPD), mit Helfern der Caritas in die mit 50.000 Menschen wohl weltweit größte Roma-Siedlung Shutka. Schlamm, primitive Wellblechhütten, Elend – mitten im Meer der Trostlosigkeit entstand mit dem Geld aus Düsseldorf eine Insel der Hoffnung: 15 Häuser und 40 Container, ein Kindergarten, eine Schule.
Viel Neid von den Nachbarn
Neidisch reagierten die Nachbarn auf den „Luxus“ der Rückkehrer. 114 Häuser wurden in den nächsten Monaten für 600 Rückkehrer gebaut. Clement lobte sein eigenes Re-Integrationsprogramm.
Die Häuser verfügten über Telefonanschluss, jeweils 52 Quadratmeter Wohnfläche mit Kinderzimmer, Schlafzimmer, Küche und Bad. Dazu ein Fernseher, Ofen, Sitzgruppe. Alles da. Nur keine Arbeit. Später musste Clement eine „ungute Entwicklung“ des Projekts eingestehen.
Obwohl die Rückkehrer schriftlich versichert hatten, dass „sie nicht wieder zum dauernden Aufenthalt nach Nordrhein-Westfalen einreisen“ würden, kamen viele Roma zurück und stellten neue Asylanträge. Da wohnten in vielen Häusern in Shutka schon nicht mehr die Familien, denen Clement die Wohnräume zugewiesen hatte.
Die gut gemeinte Idee, den Roma eine Zukunft in den Herkunftsländern zu ermöglichen, war nicht aufgegangen. Auch weil in Skopje Arbeit fehlte, zog es die Menschen wieder ins „reiche“ NRW. Schon damals lag die Arbeitslosenquote in Skopje bei 70 Prozent.
Wohlstandsgefälle bleibt
Mehr als 20 Jahre später erfährt der Wunsch, Roma durch finanzielle Hilfen zum Verbleib im Heimatland zu bewegen, in der politischen Debatte eine Renaissance. Nicht nur in Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Mazedonien hat NRW zweistellige Millionensummen in soziale Projekte investiert – es bleibt aber ein Tropfen auf dem heißen Stein. Das Wohlstandsgefälle wirkt wie ein Sog.
Das gescheiterte „Projekt Skopje“ zeigt, dass die Armutsflucht durch punktuelle Hilfen vor Ort kaum zu stoppen ist. Die Landesregierung hilft deshalb 2014 mit 7,5 Millionen Euro aus EU-Töpfen den mit Armutsflüchtlingen besonders stark belasteten Kommunen in NRW. Allerdings: Auch das dürfte kaum reichen.