Berlin. 2013 begann für Angela Merkel schlecht und könnte doch eines ihrer besten Jahre werden. Die FDP fiel in den Abgrund, die SPD setzt mit ihrem Mitgliedervotum zur «GroKo» Maßstäbe, Linke und Grüne halten die Stellung in der Opposition. 2014 wird die Europawahl spannend.
Es ist einer der seltenen Momente, in denen Angela Merkel Gefühle zeigt. «Insofern waren wir heute einfach auch ein Stück weit alle traurig», sagt die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin und bemüht sich um Trost für den Mann, der neben ihr im Konrad-Adenauer-Haus steht. Es ist der 21. Januar 2013, der CDU-Hoffnungsträger David McAllister hat am Vortag die Landtagswahl in Niedersachsen verloren, obwohl die CDU stärkste Kraft geworden ist und die FDP entgegen allen Annahmen fast zehn Prozent bekommen hat.
Merkel sagt, der 42-Jährige sei noch jung, ihm stünden alle Türen offen. Aber jetzt fehlen eben 0,4 Prozent. Schwarz-Gelb, die Farbe auch der Koalition im Bund, ist in Niedersachsen abgewählt. Rot-Grün startet mit einem Sieg in das große Wahljahr 2013. Im Bundesrat hat das Oppositionslager damit die Gestaltungsmehrheit.
Schavans Rücktritt belastet Merkels Bilanz
Für Merkel beginnt dieses Jahr nicht gut. Am 9. Februar tritt mit Bundesbildungsministerin Annette Schavan eine ihrer engsten Vertrauten zurück, nachdem die Uni Düsseldorf der CDU-Politikerin den Doktortitel wegen «vorsätzlicher Täuschung durch Plagiat» entzogen hat. Merkel fällt die Entscheidung, die sie im Kanzleramt an einem Samstagmittag zusammen mit Schavan verkündet, sichtlich schwer.
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Trotz mancher Rückschläge und Schwächen in den Ländern liegt die CDU in Umfragen für die Bundestagswahl am 22. September aber vorn. Die Eurokrise gerät in den Hintergrund. Der deutschen Wirtschaft geht es vergleichsweise gut, und Merkel erklärt landauf, landab, dass Deutschland stärker aus der Krise heraus- als hineingegangen sei. Dieses Ziel setzt sie für ganz Europa. Länder mit enormen Geldsorgen wie Spanien, Italien, Portugal, Griechenland, Zypern haben Zweifel.
Wenig Fehler im Wahlkampf
Merkel macht in diesem Wahlkampf wenig Fehler, CSU-Chef Horst Seehofer droht, schimpft und schmeichelt wie eh und je, und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück unterlaufen immer wieder Pannen.
Seehofer schreibt sich dann am 15. September in das CSU-Geschichtsbuch ein. Er holt bei der Landtagswahl in Bayern die absolute Mehrheit der Mandate zurück. Der Union gibt das Rückenwind für die Bundestagswahl. Umgekehrt bei der FDP. Sie fliegt sowohl aus dem Landtag in Bayern als auch erstmals in ihrer Geschichte aus dem Bundestag. Merkels schwarz-gelbe Wunschkoalition ist nach vier Jahren beendet. FDP-Chef Philipp Rösler tritt zurück. Zu seinem Nachfolger wird sein früherer Generalsekretär Christian Lindner gewählt. Der 34-Jährige gilt nun als letzter Hoffnungsträger der FDP.
Bestes Ergebnis seit der Wiedervereinigung für die Union
Angela Merkel erzielt am 22. September mit 41,5 Prozent das beste Unionsergebnis seit der Wiedervereinigung - sie verpasst nur knapp die absolute Mehrheit. Bei der Wahlparty in der CDU-Zentrale strahlt sie vor Glück. Sie kann mit ihrer dritten Kanzlerschaft rechnen. Voraussichtlich ist das der Zenit ihrer Karriere.
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Die Sondierungsgespräche mit den Grünen scheitern. Die Partei will in ihrer Enttäuschung über ein nur einstelliges Ergebnis auch erst wieder zu sich selbst finden und sich personell erneuern. Parteichefin Claudia Roth wechselt auf den lukrativen Posten der Bundestagsvizepräsidentin. Für sie kommt Simone Peter. Fraktionschef Jürgen Trittin macht den Weg frei für Anton Hofreiter. In einer kleinen Opposition mit den Linken haben die Grünen aber nicht einmal die Führungsrolle, denn die Partei von Fraktionschef Gregor Gysi liegt mit 8,6 Prozent 0,2 Punkte vor ihnen.
CSU boxt die Pkw-Maut durch
Für die Union kommt als Partner nur die SPD infrage, die gemessen an ihren 25,7 Prozent mit Mindestlohn, erleichterter doppelter Staatsbürgerschaft und Rentenverbesserungen viel eigenes Profil im Koalitionsvertrag durchsetzt. Die CSU boxt die Pkw-Maut durch, die CDU bekommt die Mütterrente und das Nein zu Steuererhöhungen.
Erst 66 Tage nach der Wahl unterzeichnen Merkel, Seehofer und SPD-Chef Sigmar Gabriel am 27. November den Koalitionsvertrag - unter Vorbehalt. Denn die SPD lässt ihre 475 000 Mitglieder abstimmen über die «GroKo», wie die große Koalition auch genannt wird. Das gab es noch nie - und könnte nach Gabriels Ansicht Schule machen. Allerdings wohl kaum bei der Union. Die CSU holt sich die Zustimmung von ihrem Vorstand und ihren Bundestagsabgeordneten. Bei der CDU stimmen 167 Delegierte über den Vertrag ab, 165 sagen Ja. Und das, obwohl es viel Unmut in der Partei über die Neuauflage der großen Koalition gibt.
Schwarz-Grün im Flächenland - Hessen wagt das Experiment
CDU und Grüne in Hessen testen derweil, ob sie erstmals in einem Flächenland eine Koalition eingehen. Die CDU von Ministerpräsident Volker Bouffier war bei der Landtagswahl stärkste Kraft geworden. Aber auch hier scheiterte Schwarz-Gelb an der Schwäche der FDP. Merkel bekennt, dass sie Schwarz-Grün in Hessen «nicht schlecht» findet. Eine offene Tür für den Bund?
2014 stehen im Sommer und Herbst drei Landtagswahlen an - im schwarz-gelb regierten Sachsen, schwarz-rot geführten Thüringen und im rot-roten Brandenburg. Besonders spannend ist aber die Europawahl im Mai. Der neuen eurokritischen Partei Alternative für Deutschland (AfD), die den Einzug in den Bundestag nur knapp verfehlte, werden große Chancen eingeräumt, ins EU-Parlament zu kommen. Für Union und SPD wird das ein schwieriger Wahlkampf, denn als Koalitionspartner sollten sie nicht allzu sehr aufeinander eindreschen. Als Gegengewicht zum SPD-Spitzenkandidaten, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, hat sich die CDU aber einen Hoffnungsträger ausgesucht. Einen, dem Merkel alle Türen offen gehalten hat: David McAllister. (dpa)