Berlin. Das Programm steht, der Ressortzuschnitt auch. Fehlen noch die Namen. SPD, CDU und CSU haben ihre Minister für die neue, Große Koalition präsentiert. Wir stellen die Menschen vor, die in den kommenden Jahren mit Angela Merkel am Kabinettstisch sitzen werden.
Viele Bekannte, aber auch ein paar neue Gesichter: Nach den langen Koalitionsverhandlungen und dem SPD-Mitgliederentscheid steht das Kabinett der neuen Bundesregierung fest. Erste Namen waren bereits am Freitag durchgesickert, im Laufe des Wochenendes stellten SPD, CSU und CDU ihre Personalentscheidungen vor. Das sind die Mitglieder der neuen Regierung:
Angela Merkel (CDU), Kanzlerin
Sie steht im Zenit ihres politischen Erfolgs: Die Union ist stark wie lange nicht, Angela Merkel führt ihre CDU unangefochten und ohne Konkurrenten. Mit der SPD als Koalitionspartner hat Merkel eine sehr breite Mehrheit im Parlament, die ihr vor allem das weitere Management der Euro-Krise erleichtert. Die 59-jährige promovierte Physikerin regiert pragmatisch, sie hat kein Problem, sich von Schwarz-Gelb wieder auf Schwarz-Rot umzustellen - die Große Koalition von 2005 bis 2009 hat sie erfolgreich geführt.
Aber wohin will Merkel? Drei Amtsperioden als Kanzler, das schafften vor ihr nur Konrad Adenauer und Helmut Kohl. Die haben sich in die Geschichtsbücher eingetragen. Merkel hat bisher wenig Spuren hinterlassen - ihre dritte Amtszeit dürfte sie genau dazu nutzen.
Starke Kanzlerin mit neuen Aufgaben
Sigmar Gabriel (SPD), Vizekanzler/Wirtschaft und Energie
Die Koalition ist sein Erfolg, jetzt will der 54-jährige Goslarer als "Superminister" für Wirtschaft und Energie die Energiewende auf Kurs bringen und die SPD als Partei der Wirtschaft in die Mitte rücken. Ob das gelingt? Gabriels Job ist nicht ohne Risiko.
Er hat zuletzt strategisches Können gezeigt, aber als Instinktpolitiker schießt er manchmal übers Ziel hinaus. Pluspunkt: Viel Erfahrung als Ministerpräsident und als Umweltminister von 2005 bis 2009. Als Vizekanzler und Parteichef hat Gabriel so viel Macht wie nie. Denkbar, dass er 2017 ums Kanzleramt kämpft.
Der starke Mann der SPD kann Merkel noch gefährlich werden.
Wolfgang Schäuble (CDU), Finanzen
Der 71-Jährige ist für Merkel eine zentrale Stütze im Kabinett. Schäuble hat enorme Erfahrung, ist trickreich, ausdauernd, gern auch mal mürrisch. Er denkt in langen Linien, das hat sich im Krisenmanagement bewährt. Als Finanzminister hat er zuletzt aber mehr Glück gehabt als Ehrgeiz gezeigt.
Schäuble, seit 23 Jahren an den Rollstuhl gefesselt, hängt an dem Amt, eine gesundheitliche Krise hat er überstanden. In der Euro-Krise arbeitet er eng mit Merkel zusammen - wobei der leidenschaftliche Europäer von der Zukunft der EU genauere Vorstellungen hat als die Kanzlerin.
Merkels große Stütze.
Neue Aufgabe für Merkels Allzweckwaffe Von der Leyen
Ursula von der Leyen (CDU), Verteidigung
Der Abmarsch der 55-Jährigen CDU-Vize ins Wehrressort ist die Überraschung - und endlich ein Aufstieg für die ehrgeizige wie populäre Niedersächsin. Als erste Verteidigungsministerin kann sie ihr Modernisiererimage pflegen,Tatkraft beweisen und beim Publikum Punkte machen.
Auch auf internationaler Bühne kann sie sich erproben. Die Bundeswehrreform ist aber ein harter Brocken, der Militärapparat eine Schlangengrube: Bewährungsprobe für die kämpferische Politikerin. Wenn sie die besteht, dürfte sie die nächste Kanzlerkandidatin werden -und Gabriels Rivalin.
Chance für die Kronprinzessin
Thomas de Maiziere (CDU), Innen
Er wollte so gern Verteidigungsminister bleiben, den Wunsch erfüllte Merkel ihrem langjährigen Vertrauten nun doch nicht - auch weil de Maiziere bei der Drohnen-Affäre überraschend Schwächen in der Amtsführung offenbart hatte. Doch der 59-Jährige Jurist ist ein treuer Diener der Kanzlerin, Innenminister war er schon von 2009 bis 2011.
Damals versuchte er mit seiner sachlichen Art, das Amt ohne die üblichen Hardliner-Allüren zu führen. In der Großen Koalition bis 2009 war de Maiziere als Kanzleramtsminister wichtige Stütze der Regierung, geschätzt auch von der SPD.
Merkels solide Allzweckwaffe
Frank-Walter Steinmeier (SPD), Außen
Er hat lange gezögert, das Amt noch einmal zu übernehmen. Mit Kanzlerin Merkel hatte der Außenminister von 2005 bis 2009 mitunter Probleme, das Ressort steht oft im Schatten des Kanzleramts. Aber einen anderen profilierten Außenpolitiker hat die SPD nicht. Und so einen beliebten auch nicht.
Der frühere Kanzleramtsminister (57) von Rot-Grün ist erfahren, kenntnisreich, verlässlich. Bei der Bundestagswahl gewann der in Westfalen geborene Steinmeier, der in Brandenburg seinen Wahlkreis hat, das einzige Direktmandat der SPD im Osten.
Schwergewicht der SPD im Kabinett
Ein Neuling im Justizministerium
Heiko Maas (SPD), Justiz und Verbraucherschutz
Eine der Überraschungen im Kabinett. Der smarte 47-Jährige ist seit 2012 Wirtschaftsminister der Großen Koalition im kleinen Saarland, nachdem er dreimal vergeblich als Ministerpräsident kandidiert hatte. War aber mit 32 Jahren unter Oskar Lafontaine auch jüngster Landesminister (Umwelt).
Dass der Marathonläufer jetzt doch noch politisch ans Ziel kommt, hat er auch seiner Ausbildung als Jurist zu verdanken, die Voraussetzung für das Justizministerium ist. Durch Zuständigkeit auch für Verbraucherschutz wird das Ressort stark aufgewertet.
Große Chance für das Polit-Talent
Andrea Nahles (SPD), Arbeit und Soziales
Die seit 2009 amtierende SPD-Generalsekretärin war für einen Ministerposten sicher gesetzt. Für ihr Ressort hat die 43-Jährige auf SPD-Seite bereits die Koalitionsverhandlungen geleitet. Mit der Einführung des Mindestlohns und einer Reihe von Renten-Wohltaten kann sich die SPD-Linke und frühere Juso-Chefin als soziales Gewissen der Regierung profilieren.
Das entschädigt die Literaturwissenschaftlerin für harte Jahre in SPD-Ämtern - als Generalsekretärin hat Nahles viel einstecken müssen. Auch bei den Bürgern ist sie bisher eher unbeliebt.
Traumjob als Belohnung
Hermann Gröhe (CDU), Gesundheit
Der wichtige Helfer der Kanzlerin darf nun doch ins Kabinett: Gröhe hatte als CDU-General großen Anteil am erfolgreichen Wahlkampf der CDU, kommt obendrein aus der starken NRW-CDU. Aber erst der Rückzug von Ronald Pofalla, der ebenfalls aus NRW stammt, machte Gröhes Berufung schon wegen des Regionalproporzes unabdingbar. Gröhe gilt als sachlich und fair, geschätzt auch vom politischen Gegner. Das wird er im Gesundheitsministerium brauc hen: Viel gestalten kann er da in dieser Wahlperiode nicht, aber der Spardruck macht Konflikte mit Lobbygruppen unausweichlich.
Guter Mann, schwerer Job
Eine NRW-Genossin leitet das Umweltressort
Barbara Hendricks (SPD), Umwelt
Die promovierte Historikerin hat es eigentlich mit Finanzen: Sie war Sprecherin des NRW-Finanzministeriums, Parlamentarische Staatssekretärin unter drei SPD-Finanzministern, seit acht Jahren zudem SPD-Schatzmeisterin. Das Verhältnis der 61-Jährigen zu Gabriel ist nicht unkompliziert - aber Hendricks ist hartnäckig und durchsetzungsfähig, als Frau aus der mächtigen NRW-SPD erfüllt sie auch wichtige Proporzbedingungen.
Das um den Bereich Bau erweiterte Umweltressort ist aber Neuland für sie. Dort soll sie Gabriel bei seiner Energiewende den Rücken frei halten.
Ministerin mit starker Hausmacht
Manuela Schwesig (SPD), Familie
Krönung einer Blitzkarriere: 2003 ist die Diplom-Finanzwirtin aus Brandenburg in die SPD eingetreten, fünf Jahre später wurde sie mit 34 Jahren Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern - zuständig auch für Familienpolitik. Seit 2009 ist Schwesig außerdem SPD-Vize und das "ostdeutsche Gesicht" ihrer Partei.
Mit ihrer vorsichtigen, mitunter hölzernen Art hat die 39-Jährige noch kein richtiges Profil erworben. Leicht wird es jetzt nicht, die Familienpolitik bleibt ein Konfliktfeld. Die Ministerin ist etwa für das Betreuungsgeld zuständig, das sie bekämpft hat.
Karrierefrau vor erster Hürde
Peter Altmaier (CDU), Kanzleramtsminister
Der Wechsel des 55-jährigen Juristen ins Kanzleramt als Ersatz für Ronald Pofalla kommt nicht überraschend. Altmaier galt schon länger als Kandidat für den Maschinenraum der Regierung. Er ist ein Vertrauter der Kanzlerin, hat sich als Fraktionsmanager ebenso bewährt wie als Staatssekretär im Innenministerium und zuletzt als Umweltminister. Der eloquente Saarländer weiß, wie man Konflikte löst und Kompromisse schmiedet, das hat er zuletzt beim Endlagersuchgesetz bewiesen.
Idealbesetzung im Maschinenraum
Johanna Wanka (CDU), Bildung
Sie hat ihre Chance genutzt: Die 62-jährige promovierte Mathematikerin aus Sachsen wurde Anfang 2013 nach dem Rücktritt von Annette Schavan Bildungsministerin - und machte den Job so gut, dass Merkel der wesensverwandten Ministerin jetzt ein Verlängerungsangebot machte.
Die Ministerin, die bis 2013 Kultusministerin in Niedersachsen war, gilt als pragmatisch und konservativ. Wanka bevorzugt leise Töne, will nicht polarisieren. Ihr Glück: Sie kann ein paar Milliarden Euro mehr für Bildung verteilen als bisher. Gute Voraussetzungen für Erfolg in der Koalition.
Leise Spätaufsteigerin
Seehofer bestätigt CSU-Minister
Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer schickt für seine Partei Alexander Dobrindt, Hans-Peter Friedrich und Gerd Müller als Minister ins neue Bundeskabinett. Das bestätigte der bayerische Ministerpräsident am Sonntagabend in einer CSU-Vorstandssitzung in München, wie die Nachrichtenagentur dpa aus Teilnehmerkreisen erfuhr. Und so sind die CSU-Posten verteilt:
Alexander Dobrindt (CSU), Verkehr
Als CSU-Generalsekretär war der 43-Jährige Diplomsoziologe der Mann fürs Grobe. Dobrindt füllte die Rolle des Wadenbeißers beherzt aus, beschimpfte die Konkurrenz wie kaum ein anderer. Deshalb wollen ihn jetzt vier Fünftel der Deutschen nicht im Kabinett sehen - aber CSU-Chef Seehofer weiß die strategischen Fähigkeiten seines Wahlkampfmanagers zu schätzen.
Dobrindt wird für ihn der verlängerte Arm in Berlin. Sein noch rasch um Internet-Ausbau erweitertes Verkehrsministerium bietet auch genügend Möglichkeiten, für Bayern etwas herauszuholen.
Vom Raufbold zum Aufsteiger
Hans-Peter Friedrich (CSU), Landwirtschaft
Der nette Franke hatte von CSU-Chef Horst Seehofer eine Jobgarantie als Innenminister - aber dann verzichtete Seehofer doch lieber auf das Innenressort. Für das Land kein Verlust: Friedrich hat das Amt, das er erst 2011 übernahm, nie richtig ausgefüllt, zuletzt hat er in der NSA-Affäre ungeschickt agiert.
Dass der 56-Jährige promovierte Jurist mit Wirtschafts-Zusatzausbildung im Kabinett bleibt, hat er vor allem innerbayerischen Proporzgründen zu verdanken. Ob er als Agrarminister eine bessere Figur macht? So viele Fallstricke wie im Innenressort gibt es zumindest nicht.
Er muss erst noch überzeugen
Gerd Müller (CSU), Entwicklungshilfe
Der promovierte Wirtschaftspädagoge aus dem Oberallgäu gehört schon länger zur Führungsreserve der CSU, auch wenn ihn in Berlin jetzt niemand auf der Rechnung hatte: Müller ist bereits seit 2005 Parlamentarischer Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, sitzt nach einer Wahlperiode im Europarlament seit 1994 im Bundestag.
Seit 2008 ist der 58-Jährige auch Präsident des Deutschen Heilbäderverbands. Mit Entwicklungshilfe hatte Müller bisher indes allenfalls am Rande zu tun - am Ende gab der bayerische Regionalproporz den Ausschlag.
Minister von Seehofers Gnaden