Washington. . Die Washingtoner Hauptstadt-Presse ist sauer: 40 renommierte Medienorganisationen schickten jetzt einen Brandbrief ans Weiße Haus. Grund der Wut: Pete Souza ist der einzige Fotograf, der dem Präsidenten wirklich nahe kommen darf.

Als Barack Obama 2009 ins Weiße Haus einzog, versprach er „Rechtsstaatlichkeit und Offenheit“ als die Eckpfeiler seiner Amtszeit. Fünf Jahre später wirft ein mächtiger Teil der Washingtoner Hauptstadt-Presse dem US-Präsidenten wütend „Propaganda“ im Kreml-Stil vor.

Es geht darum, wer sich von Berufs wegen ein Bild von Obama machen darf. Und wer nicht. Santiago Lyon zählt sich (und viele andere seiner Zunft) zur zweiten Kategorie. Der Fotochef der landesweit größten Nachrichtenagentur „ap“ warf dem Weißen Haus „Kontrollwahn“ im Umgang mit den Medien vor. Lyon vertritt keine Einzelmeinung eines Querulanten. Vor wenigen Tagen haben rund 40 renommierte Medienorganisationen einen Brandbrief ans Weiße Haus geschickt.

„Linsenschmeichler erwünscht“

Darin wird Regierungssprecher Jay Carney aufgefordert, den immer schmaler gewordenen Flaschenhals, durch den Pressefotografen müssen, bevor sie Obama vors Objektiv bekommen, schleunigst zu erweitern. Tenor: Obama lasse nicht nur unliebsame Berichter­stattung ahnden und Informanten im Regierungsapparat vor die Gerichte zerren. Auch bei der Inszenierung seiner Person via Fotosprache wolle er die Spielregeln diktieren.

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Adressat der Wutwelle ist ein Amerikaner mit portugiesischen Wurzeln, der objektiv betrachtet ein weltweit einmaliges Privileg besitzt. Pete Souza, 59, einst für die „Chicago Tribune“, das „Life“-Magazin und „National Geographic“ am Auslöser, kommt seit 2009 als Haus- und Hoffotograf Obamas dahin, wo Fotojournalisten draußen bleiben müssen.

Der Chefbildner fotografiert im Nahbereich des Präsidenten ohne Konkurrenz. Zum Beispiel das Treiben an Bord der Airforce One auf dem Flug zum Mandela-Begräbnis in Südafrika. Mit Hillary Clinton hatte Obama seine potenzielle Nachfolgerin ebenso an Bord wie George W. Bush und dessen Frau Laura. Obama und Bush nach Ansicht der Fotomotive nicht ein Herz und eine Seele zu nennen, fällt schwer.

"Zensurmaßnahme ohne Beispiel"

Souza veröffentlicht regelmäßig eine Auswahl seiner hochwertigen Bilder über Internetdienste. Dort sehen Millionen seine Fotos. Jede Zeitung, jeder Sender darf sie nutzen. Kostenlos. Meist bleibt ihnen auch nichts anderes übrig. Weil unabhängigen Fotografen, die nicht wie Souza vom amerikanischen Steuerzahler entlohnt werden, der Zutritt in die Suiten der Präsidentenmaschine meist verweigert bleibt. Obama will „Linsenschmeichler“, keine Journalisten mit Kamera. Dagegen laufen Amerikas Medienhäuser Sturm.

Obamas Image vom coolen Hund, den selbst in Stresssituationen eine erhabene Lässigkeit umweht (etwa in der Szene, als er beobachtet, wie Bin Laden von Elitetruppen erschossen wird), ist vor allem Souzas Werk. Dass der Chef der Bildstelle des Weißen Hauses seinen Arbeitgeber nicht unvorteilhaft ablichtet – geschenkt. Dass er es verunmöglicht, dass echte Pressefotografen sich ihr eigenes, womöglich weniger weichgezeichnetes Bild von Obama machen, wird in Washington als „Zensurmaßnahme ohne Beispiel“ empfunden.

Obama beim umstrittenen Selbstporträt („Selfie“) mit dem von Haus aus peinlichen britischen Premier Cameron und der aufgedrehten dänischen Regierungs-Chefin Thorning-Schmid abzulichten und das Foto zu veröffentlichen, sagen erfahrene Pressefotografen in Washington, „wäre Souza nicht in den Sinn gekommen“. Von der „Offenheit“, die Obama einst zugesagt habe, könne darum keine Rede sein. Von digitaler Schönschreiberei in Pixelsprache schon.