Washington. Zum Jahrestag der Tötung von Terror-Chef Osama Bin Laden sind die Republikaner verstimmt. Der Präsident versucht mit allen Mitteln Wahlkampf-Kapital aus der Menschenjagd zu schlagen

Das Foto zeigt Augenblicks-Weltgeschichte: Barack Obama mit angespannter Miene im Kreise ranghöchster Politiker, Militärs und Berater in der Nacht zum 2. Mai 2011 im streng geheimen „Situation Room“ des Weißen Hauses in Washington. Gemeinsam sehen und hören die Mächtigen im abhörsicheren Krisenzentrum via Satellit in Echtzeit zu, wie in 6000 Kilometer Entfernung gegen den meistgesuchten Terroristen der Welt ohne Prozess die Todesstrafe verhängt wird. Operation „Neptuns Speer“. Angeordnet von Friedensnobelpreisträger Barack Obama persönlich. „Wir haben ihn“, sagt der „Commander in Chief“, nachdem die 23-köpfige Spezialeinheit "Navy Seal Team Six" im pakistanischen Abbotabad nach gut 40 Minuten Vollzug meldet: „EKIA“ – „enemy killed in action“ – den Feind im Kampf getötet.

Osama wurde exekutiert

Zu einem Kampf kam es nie, wie Peter Bergen in seinem am 2. Mai erscheinenden Buch über die letzten Stunden Bin Ladens minutiös darlegt. Der Chef des Terror-Netzwerks El Kaida und einiger seiner Familienangehörigen wurden schlicht exekutiert. Etwas anderes, so der renommierte Buch-Autor, war auch nie geplant. Der Gerechtigkeit sei genüge getan worden, erklärte der Präsident wenig später im Fernsehen, alles Triumphierende in der Stimme vermeidend. Diese Zurückhaltung im Umgang mit der von vielen Amerikanern als „Sternstunde der späten Rache“ empfundenen nächtlichen Kommandoaktion gegen den Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 hat das Weiße Haus inzwischen aufgegeben. Es ist Präsidentschaftswahlkampf. Und Osamas Abgang gilt als Obamas größer außenpolitischer Erfolg.

Dieses Foto ging Anfang Mai 2011 um die Welt: Barack Obama verfolgt gemeinsam mit seinem engsten Minister- und Beraterstab den Spezialeinsatz gegen El-Kaida-Chef Osama bin Laden.
Dieses Foto ging Anfang Mai 2011 um die Welt: Barack Obama verfolgt gemeinsam mit seinem engsten Minister- und Beraterstab den Spezialeinsatz gegen El-Kaida-Chef Osama bin Laden. © afp/The White House/Pete Souza

Zum Jahrestag kehrt der Präsident darum am 2. Mai für ein (vorher produziertes) Interview mit dem Sender NBC in den Journalisten sonst nie zugänglichen „Situation Room“ zurück. Aus Vorabberichten weiß man, dass Obama fein herausarbeiten wird, dass er seine Entscheidung nach langem Abwägen gegen den erklärten Rat mehrerer Minister und Militärs getroffen hat, denen die Aktion viel zu gefährlich war. Passend dazu: In Fernsehspots rühmt sein Vor-Vorgänger Bill Clinton die „mutige Entschlusskraft“ Obamas, Bin Laden auf diese Art und Weise aus dem Verkehr gezogen zu haben und streut massiv Zweifel, ob der republikanische Herausforderer Mitt Romney in vergleichbaren Situationen aus ähnlichem Holz geschnitzt wäre.

Harte Kritik an Obama

John McCain, hochdekorierter Vietnam-Veteran und 2008 Obamas Konkurrent im Rennen um das höchste Amt im Staat, ist so viel „Wahlkampf mit einer Leiche“ ein Graus. Mehrfach ging der Senator aus Arizona am Wochenende vor die Kameras und stellte Obama und dessen Berater, die Bin Ladens Ende für den Urnengang am 6. November nutzbar machen wollen, in den Senkel. „Schande über Obama. Der Präsident macht aus einer richtigen Entscheidung einen Akt der Selbstbeweihräucherung.“ Das Weiße Haus hält dagegen. Robert Cardillo, Experte aus dem Team des Nationalen Geheimdienstdirektors, berichtete in einer Telefon-Konferenz mit Journalisten, dass El Kaida deutlich geschwächt und ein Jahr nach Bin Ladens Tod das Risiko eines Groß-Anschlags von der Dimension des 11. September „unwahrscheinlich“ geworden sei.

Obama selbst versucht in der Angelegenheit auf unerwartete Weise Höhe zu gewinnen. Beim traditionellen Gala-Dinner mit dem Presse-Corps des Weißen Hauses am Samstagabend (dort, wo vor genau einem Jahr kein Journalist ahnte, dass Bin Ladens Schicksal bereits besiegelt war), näherte sich der Präsident der Sache mit Sarkasmus auf Kosten Dritter. „Wir haben uns zu einem historischen Geburtstag zusammengefunden, sagte Obama in seiner traditionell launigen Rede vor Medienvertretern und Hollywood-Stars, „vor genau einem Jahr haben wir einem der berüchtigtsten Individuen dieser Welt Gerechtigkeit widerfahren lassen.“ In diesem Augenblick tauchte das Gesicht von Bau-Milliardär und Obama-Hasser Donald Trump auf den Projektorwänden im Saal auf. Nicht jeder konnte über den Witz lachen.

Obama sah dem Einsatz zu

Bange, angespannte Minuten im Weißen Haus: Den Einsatz gegen Osama bin Laden verfolgte Barack Obama  ...
Bange, angespannte Minuten im Weißen Haus: Den Einsatz gegen Osama bin Laden verfolgte Barack Obama ... © AP
... gemeinsam mit Vizepräsident Joe Biden (links) und Außenministerin Hillary Clinton (2. von rechts vorne) und Verteidigungsminister Robert Gates (rechts vorne) via Live-Schaltung. Gemeinsam mit den Ministern ...
... gemeinsam mit Vizepräsident Joe Biden (links) und Außenministerin Hillary Clinton (2. von rechts vorne) und Verteidigungsminister Robert Gates (rechts vorne) via Live-Schaltung. Gemeinsam mit den Ministern ... © AP
... und weiteren Beratern seines Teams für Nationale Sicherheit diskutierte Obama die Vorgänge in Pakistan.
... und weiteren Beratern seines Teams für Nationale Sicherheit diskutierte Obama die Vorgänge in Pakistan. © AP
Für die Beratungen hatte sich der US-Präsident seine ranghöchsten Experten ins Weiße Haus geholt. Hier spricht er mit Admiral Mike Mullen, dem Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff. Mit dem beriet er sich ebenso ...
Für die Beratungen hatte sich der US-Präsident seine ranghöchsten Experten ins Weiße Haus geholt. Hier spricht er mit Admiral Mike Mullen, dem Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff. Mit dem beriet er sich ebenso ... © AP
... wie mit Geheimdienstkoordinator James Clapper, Sicherheitsberater Tom Donilon und CIA-Direktor Leon Panetta (von links).
... wie mit Geheimdienstkoordinator James Clapper, Sicherheitsberater Tom Donilon und CIA-Direktor Leon Panetta (von links). © AP
In mehreren Sitzungen bereitete sich der US-Präsident ...
In mehreren Sitzungen bereitete sich der US-Präsident ... © AP
... auf die Rede vor, die er am späten Abend des 1. Mai halten sollte und in der er das Ende der zehn Jahre währenden Jagd auf Osama bin Laden verkündete.
... auf die Rede vor, die er am späten Abend des 1. Mai halten sollte und in der er das Ende der zehn Jahre währenden Jagd auf Osama bin Laden verkündete. © AP
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