Essen. Die Treibhausgase haben weltweit einen neuen Rekordwert erreicht. Nun müssen die Staaten darüber beraten, wie sie bis 2015 ein Klimaschutzabkommen auf den Weg bringen können. Gastgeber Polen gilt dabei als einer der größten Bremser. Kein Wunder: Das Land bezieht 90 Prozent des Stroms aus dreckigen Braunkohlekraftwerken.

Pünktlich zur 19. Weltklimagipfel treffen die neuesten Alarmmeldungen ein. Die Treibhaus­gas-Konzentration in der Erdatmosphäre habe 2012 einen neuen ­Rekordwert erreicht, teilt die Welt-Wetter-Organisation mit.

„Wir ­gehen genau in die falsche Richtung“, kommentiert Joseph Alcamo, Forschungschef beim Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) die Zahlen. Selbst wenn die Staaten ihre aktuellen Klimaziele einhielten, würden bis 2020 immer noch acht bis zwölf Gigatonnen CO2 zu viel in die Luft gepustet, um die Erderwärmung bei maximal zwei Grad zu halten. Je länger man warte, desto heftiger werde der ­Klimawandel, warnte Unep-Direktor Achim Steiner. In Warschau soll nun der Fahrplan erstellt ­werden, um diesen Trend zu stoppen – so jedenfalls lautet das Ziel.

Was bisher geschah

Beim Welttreffen 2011 in Durban hatten die Vertragsstaaten vereinbart, bis zur Klimakonferenz in ­Paris im Jahr 2015 ein umfassendes und rechtsverbindliches Klimaschutzabkommen zu verhandeln. Es soll konkrete Verpflichtungen für alle Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer enthalten und 2020 in Kraft treten. Bis dahin soll die Staatengemeinschaft einen „Grünen Klimafonds“ mit 100 ­Milliarden Euro füllen, um Entwicklungsländern bei der Erfüllung der Klimaziele und der Bewältigung der Klimafolgen zu helfen.

Was geschehen muss

Die 19. UN-Klimakonferenz ist eine wichtige Etappe auf dem Weg nach Paris. In Warschau werden Ziele, Vorgehensweisen, Verhandlungsschritte und Zeitpläne verabredet. Es müssen die Weichen ­gestellt werden für eine gerechte Verteilung der Emissionsverringerung auf alle Länder der Erde, um die globalen Emissionen zu reduzieren und auf lange Sicht ganz zu vermeiden. Vor der Konferenz betonte das Europäische-Parlament, dass die EU das CO2-Reduktionsziel von 20 Prozent auf 30 Prozent erhöhen werde, wenn sich auch ­andere Länder dazu verpflichten.

Was Deutschland will

Die deutsche Delegation fährt mit der Forderung nach „mehr Tempo“ nach Polen: „Deutschland und die EU fordern als Ergebnis von ­Warschau, dass alle Staaten sich verpflichten, ihre Hausaufgaben zu machen“, teilt das Bundesumweltministerium mit.

Soll heißen: Die Länder sollten endlich klar benennen, wie und wie stark sie ihre Emissionen ­herunterfahren wollen. Denn die besagten acht bis zwölf über­zähligen Gigatonnen Treibhaus­gase müssten eingespart werden.

Zudem müssten Fortschritte bei der Klimafinanzierung sichtbar werden. Deutschland habe bis 2012 knapp 1,3 Milliarden Euro in den „Grünen Klimafonds“ ein­gezahlt und seine Verpflichtungen damit „überfüllt“. 2013 sollen es noch einmal 1,8 Milliarden sein. Viele Staaten beließen es bisher bei formellen Zusagen.

Was Polen will

Ausgerechnet Polen – viele reagierten auf die Wahl des Konferenz­ortes mit Kopfschütteln. Das Land gilt als einer der schlimmsten CO2-Sünder Europas. Es war die ­Regierung in Warschau, die in der Vergangenheit Vereinbarungen zu einer Verminderung des Kohlen­dioxid-Ausstoßes boykottiert und mehrfach die EU-Klimapolitik ausgebremst hat. Aus polnischer Sicht mit gutem Grund: Polen erzeugt seine Energie zu 90 Prozent aus Kohle und wäre von Restriktionen besonders betroffen.

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Daher will die Regierung Einfluss nehmen auf die Konferenz; die Verhandlungsstrategie lautet: Europa soll CO2 einsparen, aber China oder die USA ebenfalls. Dass parallel zum Klimagipfel ein internationales Treffen der Kohle- ­Konzerne in Warschau stattfindet, werten Umweltverbände nicht als Zufall. Damit nicht genug: Am 11. November, dem Eröffnungstag des Gipfels, feiert Polen den Nationalfeiertag. Bei den Umzügen kam es häufig zu Krawallen zwischen ­Linken, Rechten und der Polizei.

Was die Wissenschaft will

Die Forschung ist skeptisch, was die Chancen auf einen weltweiten Klima-Vertrag und das nötige ­Tempo angeht. Man könne sich nicht darauf verlassen, dass in Paris 2015 sämtliche Probleme gleichzeitig gelöst werden. „Es ist sehr ­unwahrscheinlich, dass ein neues Klima-Abkommen verbindliche nationale Ziele und Zeitpläne für Treibhausgas-Reduktionen enthalten wird“, sagt Ottmar Edenhofer, Chef-Ökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.

Länder und Regionen sollten daher nicht auf die Welt warten, sondern vorangehen. Kleinräumige Klima-Maßnahmen könnten später in ein globales Abkommen einfließen.

Auch darüber soll in Warschau geredet werden. Zwar sei ein solcher Mix aus lokalen und globalen Maßnahmen keine glänzende Lösung, gibt Edenhofer zu, „hätte dafür aber den wichtigen Vorteil, möglicherweise machbar zu sein“.