Berlin. Deutschland soll Druck für eine Finanztransaktionssteuer in der EU machen. Das haben Union und SPD als eines der ersten Vorhaben ihrer angestrebten Koalition besiegelt. Andere Europa-Fragen bleiben dagegen offen. Dazu gehört unter anderem auch ein Verfahren für einen möglichen Austritt Deutschlands aus dem Euro.

Nach einwöchigen Koalitionsgesprächen haben Union und SPD erste Inhalte eines gemeinsamen Regierungsprogramms in der Europapolitik beschlossen. "Wir haben uns darauf verständigt, die Finanztransaktionssteuer voranzutreiben", sagte der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD), nach einem Treffen der großen schwarz-roten Verhandlungsrunde am Mittwoch in Berlin.

Einigkeit bestehe auch darüber, dass die EU sich stärker auf europäische Angelegenheiten konzentrieren solle und andere Felder regional und national geregelt werden müssten. Keine Verständigung gab es vorerst bei der geplanten Bankenunion und Volksabstimmungen zu Europafragen.

Der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul sagte, mit dem Bekenntnis der großen deutschen Parteien könne die seit längerem diskutierte Steuer auf Finanzgeschäfte neuen Schub bekommen. Elf EU-Staaten haben signalisiert, die Steuer einführen zu wollen.

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Schulz nannte sie nach der zweiten Sitzung der große Verhandlungsrunde mit mehr als 70 Politikern von CDU, CSU und SPD ein "Symbol der Gerechtigkeit" angesichts der Eurokrise. Union und SPD wollen auch eine verstärkte Privatisierung etwa der Wasserversorgung verhindern.

Verfahren für einen Austritt Deutschlands aus dem Euro

Ein von der SPD geforderter Schuldentilgungsfonds zur Entlastung von EU-Krisenstaaten sei dagegen "mit CDU und CSU nicht zu machen", sagte Reul. Die CSU will in den weiteren Koalitionsverhandlungen auch über ein Insolvenzrecht für Staaten sowie Verfahren für einen Euro- Austritt diskutieren. Bei diesen Punkten seien nicht alle Partner "mit der gleichen Euphorie dabei", sagte Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU). Er machte sich namens der CSU zudem dafür stark, plebiszitäre Elemente bei europäischen Fragen zu stärken.

Mittlerweile haben fast alle zwölf Arbeitsgruppen und vier Unterarbeitsgruppen von Union und SPD ihre Beratungen aufgenommen. Nach und nach sollen Einzelergebnisse von der großen Runde beschlossen werden, um nicht alles Ende November entscheiden zu müssen. Angestrebt wird, dass eine neue Regierung vor Weihnachten steht. Zuvor sollen noch die 470.000 SPD-Mitglieder über einen möglichen Koalitionsvertrag abstimmen.

Zu den Teilergebnissen gehört, dass mehr Branchen der Weg zu einer tariflichen Lohnuntergrenze nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz geebnet werden soll. Es soll für jede Branche geöffnet werden, in der die Tarifpartner dies wollen. Bisher war es Sache des Gesetzgebers, die Branchen festzulegen.

Oettinger fordert Senkung der Strompreise

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sieht darin noch keine Annäherung bei der zentralen Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. "Da prallen die Positionen weiter aufeinander", sagte sie vor der Sitzung. Strittig ist etwa auch die von der CSU verlangte Pkw-Maut für ausländische Wagen.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) forderte, eine Dämpfung der Strompreise in Angriff zu nehmen. "Es darf nicht sein, dass immer mehr Steuern und Abgaben auf den Strompreis draufgesattelt werden", sagte er der "Westfalenpost".

Der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, sagte der Leipziger Volkszeitung": "Ab 50.000 Euro Steuerhinterziehung muss Schluss sein mit einer Strafbefreiung durch Selbstanzeige. Außerdem sollte die Bedenkzeit zur Selbstanzeige auf zwei Jahre begrenzt werden." In der kommenden Woche soll sich die große schwarz-rote Verhandlungsrunde mit Außen- und Wirtschaftspolitik befassen. (dpa)