Berlin. . Bundeskanzlerin Merkel reist nach Brüssel. Dort findet der EU-Gipfel statt, dort sind alle Augen auf sie gerichtet. Ihre Kollegen wollen wissen, ob sich die zukünftige große Koalition auch auf die Europapolitik der Bundesregierung auswirken wird. Merkel versichert: Man sei mit der SPD abgestimmt.
Wenn Angela Merkel am Donnerstag als geschäftsführende Kanzlerin zum EU-Gipfel nach Brüssel reist, ist ihr besondere Aufmerksamkeit sicher: Die EU-Regierungschefs wollen wissen, ob und wie sich die deutsche Europapolitik durch die Große Koalition verändern wird. Und daheim in Berlin wird die SPD sehr sorgfältig darauf achten, wie viel Rücksicht auf internationalem Parkett Merkel jetzt schon auf den künftigen Koalitionspartner nimmt.
Regierungskreise versicherten gestern, die Kanzlerin und führende SPD-Politiker seien mit Blick auf den EU-Gipfel „in Abstimmung“. Die Botschaft an die EU-Regierungschefs dürfte aber sein: Der europapolitische Kurs der neuen Bundesregierung wird dem bisherigen stark ähneln.
Große Linie mit der SPD steht
Auf diese große Linie hatten sich Union und SPD verständigt. Das Thema sei grundsätzlich „abgehakt“, heißt es. Der von Merkel vorangetriebene Kurs der Haushaltssanierung in der Euro-Zone soll fortgesetzt werden, aber die neue Bundesregierung wird sich für stärkere Wachstumsimpulse in den südeuropäischen Krisenländern stark machen, vor allem mit Blick auf die Jugendarbeitslosigkeit.
Darauf drängt nicht nur die SPD, so wollen es auch andere EU-Staaten. Eurobonds oder andere Formen der Schuldenvergemeinschaftung sind in der Koalition indes kein Thema. Die SPD hat von dieser Forderung wegen der fehlenden Voraussetzungen auf EU-Ebene Abstand genommen.
Merkel für stärkere Kontrollen der nationalen Haushalte
Andererseits haben Merkel und ihr Finanzminister Schäuble zugesagt, sich weiter für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und eine schärfere Regulierung des Bankensektors einzusetzen.
Offenbar ermutigt auch von dem Ziel der SPD, die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Euro-Zone durch eine „Wirtschaftsregierung“ viel enger zu koordinieren, betreibt Merkel jetzt auch engagierter eine Reform für stärkere Kontrollen der nationalen Haushalte, die sie in Grundzügen schon früher skizziert hatte. Die EU-Kommission soll demnach ein umfangreiches Kontrollrecht bekommen und mit dem Euro-Staat Vereinbarungen für mehr Haushaltsdisziplin abschließen können. Der Weg ist allerdings noch umstritten: Merkel schwebt auch eine Änderung an bestehenden EU-Verträgen vor. Europaexperten der SPD befürchten aber, dass das aufwendige Ratifizierungsverfahren und womöglich auch Volksabstimmungen in einzelnen EU-Staaten erforderlich machen würde – mit kaum kalkulierbarem Ausgang.