Berlin. . Der neue Bundestag hat sich konstituiert und für die FDP war kein Platz mehr. Außerdem wollte niemand der abgewählten Minister zusehen, wie Kanzlerin Angela Merkel mit der SPD flirtet. Freuen dürfen sich die ausgedienten Minister trotzdem: Bis zu 190 000 Euro gibt es als Übergangsgeld.
Die Regierungsbank im Bundestag blieb leer. Mit der Konstituierung des Parlaments ging am Dienstag die Amtszeit der bisherigen Bundesregierung zu Ende, so sieht es das Grundgesetz vor. Die Kanzlerin macht mit diesem Kabinett nur „geschäftsführend“ weiter, bis die neue Regierung gebildet ist.
Angela Merkel und die Unions-Minister nahmen deshalb in den Reihen der CDU/CSU-Fraktion Platz. Aber wohin sollten die fünf FDP-Minister? Die blieben einfach weg – Abgeordnete sind sie ja nicht mehr, auf der Besuchertribüne aber wollten Philipp Rösler und seine Kollegen die feierliche Stunde auch nicht verfolgen. Sonst hätten sie nur mit ansehen müssen, wie die Kanzlerin im Plenarsaal schon mit den Neuen von der SPD flirtet.
Vize-Kanzler Rösler schaute düster
Es war auch so bitter genug: Wenige Stunden später marschierte das Kabinett beim Bundespräsidenten auf, der den Ministern die Entlassungsurkunden überreichte. „Regierungswechsel gehören zur demokratischen Normalität“, sagte Joachim Gauck trocken, auch wenn der Abschied für die FDP-Minister „schmerzhaft“ sei.
Die Liberalen sollten sich doch auch ohne Bundestagsmandate weiter engagieren, bat Gauck knapp. Vize-Kanzler Rösler schaute düster. Merkel lächelte vorsichtig. Die Atmosphäre ist kühl, nicht mal zum Abschiedsessen hat die Kanzlerin bisher geladen.
Aber man sieht sich ja noch. Viel zu tun hat die „geschäftsführende Regierung“ indes nicht mehr, in den Ministerien herrscht Stillstand. Merkel stimmt jetzt alles Wichtige mit der SPD ab. Aber einmal wird das schwarz-gelbe Kabinett noch tagen, Auslandseinsätze der Bundeswehr müssen verlängert werden. Und Außenminister Guido Westerwelle reist bis zuletzt um die Welt, als sei nichts gewesen.
190.000 Euro Übergangsgeld für FDP-Minister
Und danach? Über die berufliche Zukunft der FDP-Minister weiß man noch nichts, sie selbst wohl auch nicht. Immerhin: Bis zu 190 000 Euro können sie in den nächsten zwei Jahren als Übergangsgeld beziehen. Und für vier Jahre in der Regierung ist der spätere Pensionsanspruch von 3800 Euro monatlich auch nicht übel.
Zuvor hatte der mit dem Rekordergebnis von 95 Prozent wiedergewählte Bundestagspräsident Norbert Lammert das neue Parlament mit einer Rede eröffnet. Der CDU-Mann aus Bochum gilt als Vorbild. Er ist unabhängig, traut sich was, redet frei und Klartext. Er hat einen guten Ruf. Und einen Vier-Punkte-Plan für die nächsten Jahre.
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Lammert will die Rechte der Opposition angesichts einer wahrscheinlichen Großen Koalition stärken; und er fordert mehr Substanz im Parlament. In den letzten vier Jahren hat es sich mit fast 15.000 Drucksachen befasst: Kleine und große Anfragen, Empfehlungen, Entschließungsanträge, Berichte und 900 Gesetzesinitiativen. Das sei „zu viel“, meint Lammert. Er will eine Entschleunigung im Hamsterrad.
Riesenhubers beweist Sinn für schrägen Humor
Lammert legt zudem den Parteien nahe, das gerade erst reformierte Wahlrecht zu ändern. Vier Überhangmandate haben am 22. September zu weiteren 29 Ausgleichssitzen geführt. Dies lasse die Folgen ahnen, „die sich bei einem anderen, knapperen Wahlausgang für die Größenordnung künftiger Parlamente ergeben könnten“, mahnt Lammert.
Damit sollen sich die nunmehr 631 Volksvertreter befassen. Mehr als ein Drittel ist neu im Parlament. Alle sollen daran arbeiten, das Ansehen des Bundestags zu erhöhen, das „noch nicht oberhalb dem der Bischöfe“ sei, wie Alterspräsident Heinz Riesenhuber (CDU) meint. Eine Kostprobe seines schrägen Humors.