Berlin. Die Grünen bauen vor dem Sondierungsgespräch mit der Union neue Hürden für eine schwarz-grüne Koalition auf. Dabei zeigt der Programmvergleich, dass eine Einigung möglich wäre. Aber aus taktischen Gründen will die Partei lieber auf eine Rolle als Juniorpartner in einer Koalition verzichten.

Unmittelbar vor dem Sondierungsgespräch am Donnerstag mit der Union über ein mögliches Regierungsbündnis dämpfen die Grünen die Erwartungen - sie schmieden bereits Pläne für die Opposition. "Wir gehen offen und gut vorbereitet in das Gespräch, aber wir sind sehr, sehr skeptisch", sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gestern. Die Grünen hätten zur Union größere Differenzen als die SPD, etwa in der Klimapolitik. Bei der Energiewende sehe er in der Union sogar eine "Gegenbewegung", erklärte der Ko-Fraktionschef Anton Hofreiter.

Mit der Forderung, eine "humanitäre Flüchtlingspolitik" zu einem zentralen Thema der Sondierung zu machen, suchen die Grünen zudem gezielt den Konflikt: Sie fordern eine Kurskorrektur, etwa die Aufnahme von mehr Flüchtlingen in Deutschland, die Bundesregierung hat das schon abgelehnt.

Der Abgrenzungskurs erfreut die CSU

Der Abgrenzungskurs erfreut die CSU, für Teile der CDU kommt er überraschend: In der CDU-Spitze wird versichert, man wolle mit den Grünen genauso ernsthaft wie mit der SPD reden; auch ein zweites Sondierungsgespräch war von der Union bereits eingeplant.

Bei den Grünen dagegen sind diesmal auch Befürworter einer Koalition mit der Union skeptisch, weil die Partei aus schwacher Position agieren würde: Die strategische Neuausrichtung und die personelle Erneuerung beginnt erst, die neue Führung ist teilweise unerfahren. "Da würde die Koalition zur Sturzgeburt", heißt es. Ganz offen bereiten sich die Grünen deshalb auf die Oppositionsrolle vor: "Wir werden die große Koalition von beiden Richtungen angreifen", sagte Hofreiter, nicht nur von links, sondern auch etwa mit der Forderung nach solider Haushaltspolitik. Intern wird bereits geprüft, wie die Minderheitsrechte der kleinen Opposition verbessert werden müssen - notfalls auch mit einer Verfassungsklage.

Der Programmcheck: Eine Einigung wäre - theoretisch - möglich 

Im Prinzip wäre eine schwarz-grüne Regierung durchaus denkbar. Ginge es nur um Inhalte, wäre eine Einigung zwar schwierig, aber machbar:

Steuern: Während die Union neue Steuerbelastungen ablehnt und sogar eine leichte Entlastung in Aussicht stellt, haben die Grünen ein umfassendes Steuererhöhungs-Programm vorgelegt: Abgabe auf Millionen-Vermögen, Anhebung des Spitzensatzes bei der Einkommensteuer von 42 auf 49 Prozent ab 80 000 Euro. Die Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags würde andererseits alle Steuerzahler leicht entlasten. Auch wenn ein Teil der Grünen nach dem Wahldebakel die Forderungen relativiert, wird eine Einigung schwer.

Rente: Einigung ist möglich, sogar leichter als mit der SPD: Union und Grüne wollen an der Rente mit 67 festhalten. Die Union will Armuts-Renten unter strengen Bedingungen mit der "Lebensleistungsrente" auf 850 Euro aufstocken, die Grünen wollen eine steuerfinanzierte Garantierente von 850 Euro. Auch der Unionsplan, die Mütterrente aufzubessern, dürfte realisierbar sein.

Energie: Großer Konflikt bei der Ökostromförderung - die Union will sie abschmelzen, die Grünen wollen die Industrie stärker belasten. Die Grünen fordern zudem den Ausstieg aus der Kohle, wollen 2030 eine komplette Ökostrom-Versorgung erreicht haben.

Das ist der Union zu schnell. Auch die Klimaschutz-Forderungen der Grünen sind konfliktträchtig.

Arbeitsmarkt: Die Union setzt auf tariflich ausgehandelte Mindestlöhne, die Grünen wollen einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Kompromisse sind möglich. Aber die Grünen wollen auch den Arbeitsmarkt stark regulieren, den Hartz-IV-Satz deutlich anheben.

Sozialpolitik: Die Grünen wollen das Betreuungsgeld wieder abschaffen und das Gesundheitssystem durch eine Bürgerversicherung umbauen - das dürfte die Union ablehnen. Kleinere Reformen sind aber denkbar.

Europa: Die Union lehnt die Schuldenvergemeinschaftung in der Euro-Zone ab, die Grünen fordern dagegen einen Schuldentilgungspakt, Eurobonds und eine europaweite Vermögensabgabe.