Berlin. . Die Linkspartei geht in Klausurtagung, um über ihre Fraktionsspitze zu entscheiden. Klar ist: Gysi ist die Nummer eins. Doch womöglich muss er mit Sahra Wagenknecht eine Doppelspitze bilden. Für den medienpräsenten Ostlinken ist sie aber eine Konkurrentin.
Niemand verhandelt mit ihnen, keiner sondiert. Aber um Macht geht es auch in der Linkspartei, wenn ihre Abgeordneten am Dienstag im Spreewald in Klausur gehen: Um die Führung der Fraktion, letztlich darum, ob Gregor Gysi die unbestrittene Nummer eins bleibt oder mit Sahra Wagenknecht eine Doppelspitze bilden muss.
Die Linke hat sich mit der Wahl als drittstärkste Kraft im Bundestag etabliert – bei einer Großen Koalition wäre Gysi der Oppositionsführer. Der Wahlausgang aber war zwiespältig. Die Partei büßte 3,3 Prozentpunkte ein. Sie verlor zwölf Direktmandate im Osten; übrigens durchweg an die CDU. Ihr blieben vier Direktmandate in Berlin. „Noch so ein Sieg“, spottete der Fraktionsvize Dietmar Bartsch, „und wir sind bei fünf Prozent.“
"Gigant des Wahlkampfs"
Dennoch war die Freude über das Ergebnis echt. Mit 8,6 Prozent sind sie die stärkste Kraft in der Opposition, vor den Grünen, für Gysi „ein historisches Ereignis“. Im Sommer 2012 war die Partei nach Flügelkämpfen noch zerrissen. Umso größer war nun die Erleichterung.
Die Linken haben sich behauptet, weil sie sich zusammengerissen haben; weil im Osten kaum jemand den SPD-Bewerber Peer Steinbrück wollte; weil die Grünen diesmal den größeren „Igitt“-Faktor hatten; und weil Gysi auf allen Kanälen war.
Ein „Gigant des Wahlkampfs“, lobt Parteimanager Matthias Höhn. Daher der Anspruch, die Fraktion allein zu führen. Noch ist allerdings nichts entschieden. Denn auch Wagenknecht hat eine mediale Ausstrahlung. Mehr noch: Ihr NRW-Verband trug mit 6,1 Prozent viel zum Erfolg bei. 53 Prozent der Stimmen kamen aus West-Ländern, damit die Hälfte der 64 Abgeordneten. Frau, linker Flügel, West-Partei – nach den üblichen Proporzregeln würde Wagenknecht Gysi ideal ergänzen.
Der Traum bleibt Rot-Rot-Grün
In zwei Jahren will Gysi die Führung abgeben. Es geht schon um einen Startvorteil bei der Nachfolge. Dazu kommt, dass die 44 Jahre alte Wagenknecht von ihrem Partner Oskar Lafontaine gefördert wird.
Es gibt Reformer, radikale Linke, Gewerkschafter, und diese drei Strömungen wollen sich auch in der Fraktionsspitze wiederfinden. Gysi muss die Interessen austarieren. Er braucht die Ruhe, um sich seiner eigentlichen Aufgabe zu widmen. Alle gehen nämlich davon aus, dass eine Große Koalition die Regierung stellen wird. Und mit jeder Großdebatte im Bundestag hätte Gysi die Chance, die Linke als Opposition zu profilieren.
Von Kursbestimmung und Fingerspitzengefühl hängt Gysis Traum ab: Ein rot-rot-grünes Bündnis. Für Fraktions-Vize Bartsch ist die Entwicklung offen. Gerade ihm traut man Rot-Rot-Grün zu, weil er sich weniger als andere an der SPD abarbeitet. Eine scharfe Abgrenzung halte er für „falsch“, er setze auf Eigenständigkeit. Rot-Rot-Grün beurteilt er dennoch skeptisch: „Die Grünen werden mit dieser Wahl ihre Fixierung auf die SPD beenden.“ Die linke Mehrheit rückt in weite Ferne.